StVO: quo vadis ?

  • #1

    Tach, Gemeinde,


    will ein Thema ansprechen, welches sicher kontrovers und subjektiv sehr unterschiedlich wahrgenommen wird: Regeleinhaltung im Straßenverkehr. Vorab eine Bemerkung zur Einordnung: ich habe von 2002-2014 nicht in Deutschland gelebt. War zwar regelmäßig besuchsweise hier, hatte aber meinen Lebensmittelpunkt in anderen Ländern. Seit ich also wieder in Berlin bin (eine Stadt, in der ich mich berufsbedingt aufhalten muß, sonst wäre ich sicher woanders), fällt mir tendenziell rapide zunehmende Regel-/Verantwortungslosigkeit und aggressives/gefährliches Verhalten im Straßenverkehr auf. Das damit verbundene Konfliktpotential empfinde ich als massive Einschränkung der Lebensqualität und mitunter schlicht angstmachend. Das war 2001/2002, als ich das letzte Mal längere Zeit in Deutschland verbracht habe, noch nicht so auffällig. Das kann natürlich auch mit allem möglichem anderen zusammenhängen, deshalb frage ich in die Runde: geht nur mir das so oder beobachten andere auch derartige Erscheinungen ?


    Beispiele:
    - Blinken scheint völlig aus der Mode, egal ob Spurwechsel oder Abbiegen
    - meines Wissens gibt es auch in D ein Handyverbot am Steuer, interessiert aber keinen, viele daddeln und surfen im Netz während der Fahrt, sind dadurch abgelenkt und müssen an der Ampel mit Hupe auf grün hingewiesen werden
    - Parken in zweiter Reihe (der Warnblinker is ja an…)
    - Rechts überholen (gerne auch auf der Busspur)
    - Regelwidriges Abbiegen, Wenden etc.


    Nun sind das alles Dinge, die es schon immer gab (außer Handy…). Erschreckend ist aber für mich, daß mittlerweile täglich mehrfach derart brenzlige Situationen auftreten, in denen vernünftige Leute gezwungenermaßen reagieren –müssen--, um nicht selbst in Gefahr zu geraten, obwohl es klare Regeln gibt, die so etwas verhindern sollen. Wenn sich aber eine zunehmende Menge von Menschen überhaupt nicht darum schert, daß sich noch ein paar andere im Verkehrsraum bewegen, wird’s halt eng. Ich bin sowohl als Fußgänger als auch als Radfahrer, Motorradfahrer und mit dem Auto unterwegs, habe also eine Reihe von Perspektiven, die aber alle ähnliche Ergebnisse hervorbringen: als Fußgänger wird man oft beinahe von Radfahrern auf dem Trottoir überfahren. Als Radfahrer lebt man (jedenfalls in Berlin) quasi als potentieller Dauerselbstmörder, wenn man öffentliche Straßen benutzt und nicht nur im Wald unterwegs ist. Motorradfahrern geht’s ähnlich… Als Autofahrer ärgere ich mich über Touris, die mitten auf der Straße stehenbleiben, weil man von da Sehenswürdigkeiten am besten mit dem Fotobrett ablichten kann. Noch krasser sind die geführten Touristen-Fahrradtouren mit Leuten, denen jegliche Kenntnis von Verkehrsregeln abgeht und die in der Innenstadt Schleichkolonnen verursachen, bei denen ich verstehen kann, wenn einem Lieferwagenfahrer der Kamm schwillt und er anfängt, zu überholen.


    Was ich sagen will: ein Gemeinwesen und dessen Straßenverkehr funktioniert nur dann halbwegs flüssig und für alle akzeptabel, wenn sich die Beteiligten auf ein Regelwerk und dessen Einhaltung verständigen. Das kann auch heißen, daß es keine Regeln gibt oder sie immer Auslegungssache sind. Wenn ich das weiß, kann ich mich drauf einstellen, daß ich auch bei grüner Ampel mit Querverkehr rechnen muß oder eine Sperrlinie nichts heißt außer halt einem weißen Strich auf der Straße. Nun haben wir aber in D eine Straßenverkehrsordnung, die ziemlich detailliert regelt, was geht und was nicht. Daß diese zunehmend unter die Räder gerät und deren Nichteinhaltung auch nur extrem selten sanktioniert wird, verursacht mir Unwohlsein…


    Ich bin kein Anhänger von polizeistaatlichen Methoden (habe lange genug in solchen Umgebungen gelebt), aber Anarchie und komplettes „is mir egal“ ist auch kein Weg. Niemand ist perfekt, auch ich mache Fehler und muß manchmal zugeben, nicht angemessen reagiert zu haben. Dennoch: ich empfinde die aktuelle Verkehrssituation in deutschen Ballungsräumen (Berlin als Beispiel) als anstrengend und ganz oft von ausschließlich egoistischer Interessensdurchsetzung und gerade nicht von der StVO bestimmt.


    Was sagen Vernunft-Motorradfahrer (die NC wird ja als solches präsentiert) aus diesem Forum dazu ?

    Gruß
    Wolfgang


    "Übergewicht kommt selten im Kopf vor" (Art van Rheyn)

  • #2

    "...bei denen ich verstehen kann, wenn einem Lieferwagenfahrer der Kamm schwillt und er anfängt, zu überholen."


    Ein schönes Beispiel dafür, wie es zu Problemverhalten kommt. Zeitdruck, aufgestaute Aggression, mangelnde Toleranz gegenüber dem Fehlverhalten anderer oder es reißt einfach der Geduldsfaden, weil man tagtäglich mit solchen Situationen konfrontiert ist.


    Nur leider haben wir es mit einer Eskalationsspirale zu tun. Der Lieferwagenfahrer, der die Sache in die eigene Hand nimmt, ist dann gleich der nächste Anlass für den Ärger der nachfolgenden Pkw-Fahrer/Fahrradfahrer etc.


    Hier liegt ein grundlegendes Missverständnis vor: Das Aufstellen von Regeln, bewirkt nicht dass diese akzeptiert und eingehalten werden! Repression, d.h. das Sanktionieren von Regelverstößen, hilft auch nur geringfügig weiter, solange nicht eine flächendeckende Überwachung erfolgt.


    Hinzu kommt das Gefühl der permanenten Überforderung durch zu viele Regeln, die es einzuhalten gilt. Ich würde nicht von mir behaupten, dass ich alle meine Pflichten aus der StVo kenne und sie auch einhalte. Und das ist nicht Ignoranz oder böser Wille, sondern schlichte Überforderung mit der Masse der Vorschriften die gutmeinende Menschen so in Gesetze gießen.


    Eine Lösung sind hoffentlich bald Autopilotsysteme, die automatisch auf die Einhaltung von Verkehrsregeln achten.

    Wenn ich einmal GROß bin, heirate ich mein Motorrad...

  • #4

    Ich finde das Thema gut, hilfreich und interessant, daher zunächst dem TE vielen Dank.


    Ich räume ein, dass ich mich (mitunter sogar sehr) ärgere. Dann fluche ich schon mal lauthals (im eigenen Auto) und ja, ich gebe zu, ich bin nicht frei davon, meine Unzufriedenheit gegenüber Rasern/Dränglern, Oberlehrern und mittelspurnutzenden Schnarchnasen sowie grünlichtignorierenden oder Schlangenlinien fahrenden Handynutzern zum Ausdruck zu bringen. Wohlgemerkt - im Auto.


    Ich bringe mit 57 Jahren und mehr als einer Million in mehr als zwanzig verschiedenen Ländern gefahrener Autokilometer ohne selbstverschuldeten Unfall eine gewisse Erfahrung mit und habe auch schon haarsträubende Situationen er- und überlebt, aber als Mopedfahrer bin ich noch Frischling. Gleichwohl: tausche ich Lenkrad gegen Lenker, sieht die Sache anders aus. Ganz anders.


    Auf dem Mopi versuche ich um- und vorsichtiger zu fahren und heikle Situationen zu umgehen. Ein Notausweichen mit dem Auto würde mich nerven und ärgern - auf dem Mopi (ja, tatsächlich, habe ich nach 400 gefahrenen Kilometern schon zweimal hinter mich bringen müssen) ist es für mich ein Erfolgserlebnis, was mich froh, glücklich und auch etwas stolz macht. Meistens fahre ich mit Kumpels, da liefern solche Situationen bei der nächsten Pause sogar noch Stoff zum Klönen. Irgendwie fällt das "mal locker durch die Hose atmen" trotz winddichter Kluft am Schritt leichter.


    Zusammengefasst - mit Auto: grunz, mit Mopi: grins


    Greeetz, Thomas

    "Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung"
    [Kaiser Wilhelm II.]

  • #5

    Ich weiß gar nicht, was du willst. Die StVO ist doch nur ein Angebot. Und die Trottel, die sich daran halten, werden schon sehen was sie davon haben.


    Nee, aber mal im ernst. Solange, wie die Strafen hier in der BRD so gering sind, wird sich das nicht ändern. Auch wenn die Verkehrsüberwachung nicht überall sein kann, alleine schon der Gedanke an die Strafe muß zwingend zur Einhaltung der STVO führen. In anderen Ländern funktioniert das meistens. Das geht über das Geld und über Fahrverbote.
    Also drastische Geldstrafen und Fahrverbote einführen. Bei 20 KmH schneller als erlaubt zb. 500 € oder so. Bei Rot über die Ampel 6, Monate Fahrverbot und 2000 € Geldstrafe. Wer unter Alkohol oder Drogeneinfluß fährt, Lebenslang Fahrverbot und Versteigerung des Fahrzeugs.


    Irgend wie in der Art

    Liebe Grüße aus der schönsten und größten Stadt an der Elbe


    Manfred

  • #6


    Wir brauchen keine höheren Strafen die dann wieder nicht durchgesetzt werden.
    Handy bedient oder am Ohr ist mittlerweile ein Punkt + Bares. Wenn ich hier in DD nur 10 Min. brauche bis ich aus der Stadt raus bin sehe ich 10 - 30 Straßenverkehrszombies am Handy. Eine Zivilstreife würde die sicher auch sehen ;)


    Bei der aktuellen Sicherheitslage und geringer Polizeipräsenz auf der Straße und dem ganzen anderen Mist mit dem sich unsere Polizei beschäftigen muss, hat die Verfolgung 'kleiner Delikte' einfach keine Priorität. Wenn die Polizei einen Nichtblinker rauszieht sind das mindestens 15 Minuten einer Streife...


    Das ist ein gesellschaftliches Problem, das durch höhere Strafen definitiv nicht gelöst wird. Es mangelt nur an Verstand und Rücksicht. Und die Polizei kann die aktuelle Verkehrsrechtlage schon nicht durchsetzen.

  • #7


    Da bin ich mir nicht ganz so sicher. :naughty:


    1-3 Monate laufen bei Handybenutzung wären schon ein starkes Argument es denn doch bleiben zu lassen.
    Und die Schweiz z.B. mit ihren Strafsätzen bei Geschwindigkeitsübertretungen, hat verdammt wenig Unfälle wegen zu hohen Tempos seitdem.


    Allerdings müsste dann bei uns wieder mehr kontrolliert werden, um Verkehrssünder auch wirklich zu erwischen. ;)

  • #8


    Da sind wir uns ja einig ;)
    Ich wollte auch nicht pauschal sagen das höhere Strafen nicht wirken. Sie wirken jedoch definitiv nicht, wenn sie nicht verfolgt werden. Und auf eine solche Plazebopille, wie man sie schon oft gesehen hat, verzichte ich gerne.


    Würde man Verstöße gegen die StVO konsequent ahnden und es stellt sich dann heraus, dass Fahrer Verstöße billigend in Kauf nehmen 'weil man es sich ja leisten kann', sind höhere Strafen oder Strafen nach den eigenen Vermögensverhältnissen ein nächster Schritt. Die Reihenfolge machts ;)

  • #9


    Das macht aber nur Sinn bei Vermögensabhängiger Bestrafung sonst macht von Beruf Sohn erst recht was er will weil er zeigen will das er`s kann.

    immer das Schwarze unten wünsche ich Euch
    ex NC 700S DCT, mit 48000 km Upgrade

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