Kettenexperiment – Neuer Ansatz

  • #1

    In letzter Zeit wurde hier im Forum über die Pflege der Antriebskette viel geschrieben und heftig diskutiert. Es gab da kontroverse Meinungen die fundiert begründet wurden und jede für sich ein Für und ein Wider haben. Sie beruhen entweder rein auf theoretischen Grundlagen oder aber auf praktischen Erfahrungen Einzelner.


    Ich habe mich da bewusst herausgehalten da solche Diskussionen zwar interessant sind, aus meiner Sicht aber nicht viel bringen. An dieser Stelle möchte ich auch keine neue Diskussion auslösen sondern von meinem, ich nenne es einmal Kettenexperiment, berichten. Bei diesem verfolge ich einen für mich neuen Ansatz zum Thema Kettenpflege.


    Theoretische Grundlagen halte ich zwar für notwendig und richtig, schließlich habe ich eine technische Ausbildung genossen. Aber hin und wieder möchte ich auch einmal experimentieren um in der Praxis zu erfahren was Sache ist. Daher habe ich beim letzten Wechsel des Kettensatzes das Experiment gestartet.


    Zunächst Fakten zur Ausgangslage. Der Kettensatz besteht aus einem Silent-Ritzel von JT, einem Kettenrad von AFAM und einer Kette von AFAM in der Ausführung 520XHR2-G Niet. Die Kette hat eine Zugfestigkeit von 4.180 daN. An meiner NC habe ich einen Scottoiler E-System verbaut. Bisher habe ich diesen mit einer Tropfrate von 120 s oder sogar 90 s betrieben. Die Kette war dadurch zwar immer gut geölt aber rund um das Kettenritzel, unter dem Kettenschutz und auf den Gleitschienen der Schwinge sammelte sich im Laufe der Zeit viel „Schmodder“, ähnlich einem dünnflüssigeren Fett, an.


    Als ich den neuen Kettensatz montierte fand ich es zu schade das Fett, mit dem die Kette komplett eingefettet ist, abzuwischen. In früheren Zeiten, in der Vor-O-Ring-Aera, wurden Ketten, wenn es der Fahrer gut meinte, regelmäßig in heißes Kettenfett gelegt, dann ließ er die Kette abkühlen und sie war komplett gefettet und nach dem Einbau wieder für einen längeren Zeitraum geschmiert. Also beließ ich die neue Kette so wie sie war und da sie bestens gefettet war stellte ich den Scottoiler ab.


    Nach rund 1.300 km war auf den Rollen und den Zahnflanken des Kettenrades nur noch eine ganz leichte Schmierung zu erkennen und ich aktivierte den Scottoiler mit einem Tropfintervall von 180 s um die Ölung der Kette zu gewährleisten. Durch dieses lange Tropfintervall wird die Kette nur noch minimal geölt, schleudert dadurch aber auch nur noch minimal Öl ab.


    Das Ergebnis ist aus meiner Sicht aber in Ordnung. Auf den Rollen und an den Flanken der Zähne des Kettenrades ist ein minimaler Ölfilm zu erkennen. Die Ölung scheint ausreichend zu sein.


    Über das Kettenrad habe ich eine Kettenradabdeckung montiert, über diese wurde an anderer Stelle hier im Forum berichtet. Auf der Innenseite dieser Abdeckung landet das vom Kettenrad abgeschleuderte Fett, von der Original-Fettung, und nun das Öl des Scottoilers. Gesäubert habe ich hier nach dem Start des Experimentes noch nie. Nach rund 5.700 km hat sich dort nur recht wenig "Schmodder" abgesetzt.


    Der Kettendurchhang soll nach Wartungsvorschrift von Honda zwischen 25 und 35 mm liegen. Ich stellte ihn nach Montage des neuen Kettensatzes auf 25 mm ein. Nach 4.563 km lag der Kettendurchhang bei knapp unter 35 mm, durch drehen der Muttern des Kettenspanners um eine sechstel Umdrehung reduzierte er sich auf etwas über 25 mm. Mit dieser Längung der Kette kann ich gut leben.


    Über den weiteren Verlauf werde ich berichten.

  • #2

    Hallo Winni,


    wie auch schon bei deinem ersten Experiment "neue Kette auf alten Ritzel sowie Kettenrad" bei dem

    du uns regelmäßig mit aussagekräftigen und nachvollziehbaren Daten versorgt hast bin ich

    auch hier schon gespannt wie es ausgeht.


    Ich könnte soetwas garnicht machen, das würde ja mehrere Jahre dauern bis ich ein Resümee ziehen

    könnte.

    Aber bei dir als Ganzjahres-Allwetter-Vielfahrer wirst du uns in überschaubarer Zeit ein Ergebnis

    liefern können.


    Genaugenommen mache ich ja auch ein Experiment unter dem Motto "faule Sau".

    Ich habe seit ca. 13 tKm meine Kette immer nur mit meiner schon vorgestellten Vorrichtung nachgefettet.

    O.k. das Kettenrad habe ich im Zuge eines Reifenwechsels 1x gereinigt.

    Es ist noch die Originalkette die ja angeblich nicht das gelbe vom Ei ist, aber wer weiß das schon genau.

    Sagen kann ich das ich sie während ca. 13 tKm 2x um 1/6 Umdrehung nachgespannt habe. Genau wie bei

    dir von ca. 35mm auf 25mm Durchhang. Ich schätze bei ca. 15-16 tKm wird's mal wieder fällig.

    Wenn sich in Zukunft Auffälligkeiten zeigen sollten werde ich das hier kundtun.


    Halt uns auf dem Laufenden.


    Gruß, Thomas :boywink:

  • #3

    Hallo Winni,

    darf ich fragen wie ist die Düse von dem Kettenöler positioniert? Auf dem 2. Bild scheint es mir als ob es über der Aussenseite der Kette steht. Diese Seite scheint auch mehr verschmutzt zu sein als die Innenseite, wenn ich das Bild 1 gut interpretiere. Ist es so? Dann würde die Innenseite aber weniger geschmiert. Ich finde bei dieser Methode auch nicht optimal, dass die Kette vor dem Schmieren nicht geputzt wird und nach dem schmieren nicht abgewischt. Die dosierung zu reduzieren finde ich als richtiger Ansatz. Meinst du aber nicht dass es von Hand besser platzieren werden könnte? Dann könte man auch ein hitec Schmiermittel verwenden, der ein Schutzfilm bildet und Schmutz abweist, damit man es nicht zu oft wiederholen musste.

    Gruss

    Peter

  • #4

    Hallo Peter,


    dann versuche ich einmal deine Fragen zu beantworten.


    Die Düse des Kettenölers ist ein dünnes Röhrchen aus Kunststoff das schräg abgeschnitten ist damit es bündig am Kettenrad anliegt und leicht an diesem schleift. Dadurch landet das Öl auf dem Kettenrad und wird nicht in der Luft herumgewirbelt, die Ölverluste bei dieser Übertragung dürften äußerst gering sein. Dadurch gelangt wohl auch Öl auf die linksseitigen, also äußeren (bezogen auf die Längsachse des Fahrzeugs) Kettenlaschen. Das lässt sich nicht vermeiden, das Röhrchen schleift am Kettenrad, mehr kann ich da nicht machen. Da die Kettenlaschen gar nicht geölt werden sollen ist es auch nicht schlimm wenn die rechtsseitigen, also inneren Kettenlaschen nicht geölt werden. Die wesentlichen Teile, nämlich die Rollen, die Zahnflanken des Kettenrades und die Innenseiten der Kettenlaschen erhalten auch bei einseitigem Ölauftrag genügend Öl, das verteilt sich ausreichend.


    Die Kette habe ich bewusst bis jetzt nicht gereinigt und werde es in nächster Zeit auch nicht tun. Sieht halt nicht so schön und sauber aus, aber darin sehe ich den einzigen Nachteil.


    Über andere Methoden der Kettenschmierung möchte ich hier nicht diskutieren. Bei meinen NC's benutze ich seit fast 350 tkm einen Scottoiler und bin damit sehr zufrieden und werde deshalb dabei bleiben.

    Gruß Winni

  • #5

    Danke für deine Erklärungen Winni.

    Ich möchte trotzdem noch zwei Sachen hinzufügen.

    Bei reinigen der Kette und auch Abwischen nach Schmierung habe ich mehr an den technischen Aspekt gedacht. Also die Möglichkeit dass Öl mit Schmutz eine Schleifschicht bilden können und damit den Verschleiss erhöhen. Allerdings, es kan sein dass es in deiner Praxis nicht relevant ist.

    Ich denke auch dass die Schmierung in der Kette (zwischen Buchse und Rolle) wichtiger ist, als auf der Kette (zwischen Kette und Zahnrad), weil die meiste Reibung in der Kette entsteht. Aussen rollt die Kette nur über die Zähne. Deswegen scheint mir logisch die Empfehlung ein Schmiermittel für gewissen Zeit einwirken zu lassen und nicht gleich nach schmierung losfahten. Obwohl auch das bei deiner Methode nicht stattfindet, funktioniert es anscheinend in der Praxis gut.

    Gruss

    Peter

  • #6

    Hab heute mal wieder meine Kette mit weißem Kettenfett geschmiert.

    Davor natürlich mit weichem Lappen und Kettenreiniger gereinigt.


    Dann die kleine Hausrunde (ca 40km) gedreht damit die Kette ihr fett gut verteilen kann, und siehe da......


    Die Hausrunde lief wie geschmiert :)

    Existieren kann man überall, aber Leben.... Leben kann man nur in Bayern

  • #7

    Da die Paarung von Buchse und Rolle keine leichtgängige und spielfreie Lagerung darstellt würde ich eher davon ausgehen, dass auch zwischen Rolle und Kettenrad/Ritzel deutlich Gleitreibung zu finden ist.

    "Das Widerlegen von Schwachsinn erfordert eine Größenordnung mehr Energie als dessen Produktion."

    (Brandolinis Gesetz, auch Bullshit-Asymmetrie-Prinzip genannt)

  • #8

    Wenn jemand Lust auf ein durchaus interessantes Video zum Thema Kettenspray hat, mein absolutes Lieblingsvideo dazu ist das hier:


    Externer Inhalt www.youtube.com
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    Spoiler: Getriebeöl ist gar nicht so schlecht und für das über die Lebensdauer eingesparte Geld für Kettenspray gibts die Kette bei Tausch gratis :)


    Meine Kette bekommt mittel bis wenig Getriebeöl auf die Rollen über einen Kettenöler und gelegentlich etwas Motul C5-Streichfett auf die Seiten. Das schützt gut und lange vor Rost, die Schmierung der Rollen übernimmt das Getriebeöl.

  • #9

    _Matthias_


    Ich habe schon etliche Videos von "FortNine" gesehen. Leider sind seine Testmethoden oftmals pseudo-

    wissenschaftlich und können die Realität nicht immer 1:1 wiederspiegeln.

    Aber bei über 2 Millionen Abonnenten lässt er sich immerhin etwas einfallen um es für uns schön aussehen

    zu lassen.


    Was mir persönlich an dem Video gefällt ist das er gut erklärt welche Aufgabe die O bzw. X Ringe übernehmen.

    Er bestätigt das das Fetten oder Ölen dieser absolut nichts bringt. Denn wie er erklärt wären diese ja defekt

    sobald Öl oder Fett die Möglichkeit hätte an diesen vorbei bis ins Innere der Kette, also bis zur Dauerfettfüllung

    zwischen Nietachse und Hülse vorzudringen. O bzw. X-Ring haben nur die Aufgabe die Dauerfettfüllung

    am austreten zu hindern. Tun sie dies nicht mehr tritt Fett aus und die Kette wird irgendwann schwergängig,

    fängt eventuell sogar an zu fressen, schlägt aus, längt sich und ist defekt.


    Ich hatte ja schon geschrieben das ich nach der Methode "faule Sau" vorgehe.

    Das bedeutet ich habe die Kette seit 14 tKm nur gefettet aber nie gereinigt. Meine Fettvorrichtung hat

    4 Bohrungen, 2 davon sprühen das Fett direkt auf die Dichtringe. Die inneren beiden sprühen auf die Rolle

    bzw. an den Rand zwischen Rolle und Innenlasche so das das anfangs noch flüssige Fett durch den Spalt

    zwischen Rolle und Innenlasche in den Spalt zwischen Rolle und Hülse mit Hilfe der Kapilarkräfte eindringen

    kann.


    Nach ca. 4 tKm habe ich allerdings die beiden äusseren Löcher verschlossen! Warum? Ganz einfach, um die

    Dichtringe herum ist eine Schicht aus zähelastischem Kettenfett entstanden der die Dichtringe vor ein-

    dringendem Wasser und Staub schützt. Dieser ist über die Zeit und Km weder rissig noch undicht geworden

    da das Fett seine zähelastische Konsistenz beibehält und die Dichtringe nach wie vor schützt!

    Warum sollte ich da also weiterhin unnütz Fett drauf sprühen, geschweige denn hier reinigen? Beim reinigen mit

    einem Fettlösemittel werden eventuell die Dichtringe angegriffen und wenn ich zusätzlich eine Bürste nehme

    könnten sie tatsächlich beschädigt werden. Ausserdem meine ich das unweigerlich Reiniger in den Spalt zwischen

    Rolle und Hülse gelangt und unnötig die dort vorhandene Schmierung verdünnt. Ich weiß, hier scheiden sich die

    Geister, der eine so der andere so, vollkommen in Ordnung.


    Wichtig ist nur das zwischen Rolle und Hülse Schmiermittel ist so das die "Rolle" ihrer Aufgabe nachkommen kann.

    Auch für nicht unwichtig halte ich das die Innenlaschen geschmiert sind da sie ja die Kette führen und beim Auf und

    Ablaufen auf Ritzel und Kettenrad auf deren Flanken auf und abgleiten.


    Was ich nicht ganz nachvollziehen kann ist das er sagt das der Schmierfilm auf der Rolle bzw. Ritzel und Kettenrad

    keinen Sinn ergibt das das Schmiermittel nach kurzer Zeit durch den hohen Flächendruck verdrängt würde und dann

    so oder so Metall auf Metall läuft.

    Das kann ich nicht ansatzweise nachvollziehen! Bei mir ist auch nach ca. 500 Km immer noch ein Schmierfilm auf Rolle

    und Kettenrad zu erkennen, da ist nichts metallisch blank! Wäre auch schlimm wenn das so wäre, dann hätten wir in

    der Technik an allen möglichen Stellen plötzlich "Schmierprobleme".


    Und der Abschleudertest? Na ja, ganz nett anzusehen, hat aber wenig mit der Realität zu tun. Die Drehgeschwindigkeit

    des Akkuschraubers ist viel zu gering. Die Umdrehungsgeschwindigkeit (Winkelgeschwindigkeit) und die damit auf-

    tretenden Fliehkräfte sind beim Kettenritzel des Motorrads je nach gefahrener Geschwindigkeit wesentlich höher.

    Bei mir sammelt sich fast alles vom überschüssigen Kettenfett vorne im Ritzelgehäuse. Also werden hier gröbere

    Partikel wesentlich effektiver abgeschleudert. Hinzu kommt noch das die Kette selbst bei der linearen Bewegung

    zwischen Ritzel und Kettenrad immer schwingt und auch hier gröbere Partikel es schwer haben sich anzuhaften. Auf

    der Unterseite, also dem Leertrum der ja nicht nur schwingt sondern manchmal regelrecht schlackert wird es für

    Partikel noch schwieriger sich anzuhaften.


    Wer sich natürlich bei Wind und Wetter im Gelände bewegt bei dem stellt das natürlich ein Problem dar. Aber ich als

    Schönwetterfahrer der seltenst auch mal einen Schauer erwischt ist das nebensächlich.


    Was er über das preiswerte Öl sagt stimmt wiederum. Wenn eine Kette kontinuiertlich mit Motoröl oder ähnlichem

    beträufelt wird, z.B. mit Hilfe eines Kettenölers ist dies auf Dauer die preiswerteste und auch eine gute Methode die

    aber im Vorfeld einer kleinen Investition bedarf. Geölte Ketten haben aber auch eine Schattenseite, sie sauen mehr oder

    weniger die Schwinge, das Hinterrad und andere Bauteile ein.


    Da habe ich mich als Schönwetterfahrer halt für Kettenfett in Kombination mit meiner Kettenfettvorrichtung ent-

    schieden. Keinerlei Sauerei.


    Aber Hauptsache Schmierung.

    Das ich mit "Venturi", der meint wegen der Dauerschmierung seine Kette garnicht fetten oder ölen zu müssen

    einen regen Austausch hatte wird einigen eventuell noch in Erinnerung sein. Ich glaube ja da liegt er falsch was auch

    dieses Video trotz einiger Ungenauigkeiten bestätigt. Da kann er dreimal den Fachmann miemen und mir mit einem

    der Standardwerke des Maschinenbaus drohen, ich und wohl die meisten hier sehen es aus gutem Grund anders.


    Upps, das war mal wieder ein "echter Thomas" recht lang aber dadurch doch im Detail auch verständlich, oder? :think:

    Das müßt ihr entscheiden.


    Gruß, Thomas :boywink:

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