Selektive Wahrnehmung

  • #1

    Hallo,

    Aus gegebenen Anlass, :) bitte ich um Hilfe.

    Ich bin gerade dabei einer Studentin zu helfen. Sie glaubt ernsthaft, ich könnte ihr bei diesem Thema helfen.

    Das Thema lautet: "Selektive Wahrnehmung".

    Natürlich kann eine solche eingeschränkte Wahrnehmung auch zu gestörten/selektiven Handlungen führen.

    Mir fallen einige Beispiele ein. Die machen mich noch längst nicht zufrieden. Es muss da noch bessere Beispiele geben.


    1. Beispiel:

    Das ständige "Draufklotzen" auf den Tacho, um nicht schneller als 50 km/h zu fahren, erhöht die Gefahr eines Unfalls bei 50 km/h.

    Ebenso verhält es sich beim ständigen Beobachten des Navis


    2. Beispiel:

    Stehe ich ungeduldig an einer Ampel und kann nicht das Grün gelassen abwarten, dann nehme ich die anderen Verkehrsteilnehmer hinter und neben mir nicht mehr wahr. Endlich wird es Grün und es wird los gespurtet.

    Wenn das Grün aber nur für die Links- oder Rechtsabbieger galt, dann kann es auf der Kreuzung rumpeln.

    Bereits erlebt (nur zugesehen)


    Wer kennt weitere Beispiele ?


    Reinhard

    Einmal editiert, zuletzt von reinglas ()

  • #2

    Früher als noch ein anderes Motorrad gefahren bin, habe ich unsere NC‘s nicht wahrgenommen,

    seit ich selbst eine fahre sehe ich „alle“ NC‘s die mir begegnen (und freue mich jedes Mal) 😊


    Funktioniert ebenso mit vielen anderen Dingen…


    Jürgen

  • #3

    Im kroatischen Rovinj hatte ich mal eine mehrsprachig moderierte Stadtrundfahrt mit einem Bus gebucht.

    Kurz vor der Abfahrt drängten noch zwei Familien in unserem Alter in den Bus und auf die noch wenigen freien Plätze in unserer Nähe.

    Die schienen sich eben erst kennengelernt zu haben und mussten sich deshalb erst mal gegenseitig ihre gesamte Lebensgeschichte erzählen.

    Mir schien, dass immer wenn die Wortführer der einen Familie naturgemäß nach mehreren Sätzen kurz Luft schöpften, die anderen diese kurze Pause sofort dazu nutzten, das Wort an sich zu reißen, um mehr oder weniger lautstark unnütze Dinge zu von sich zu geben.

    Ich konnte die Geschichten über die Kinderkrankheiten des inzwischen längst erwachsenen Nachwuchses, die intriganten Schwiegermütter und inkompetenten Kollegen leider nicht zugunsten der Sehenswürdigkeiten des kroatischen Mittelmeerortes ausblenden, und kochte deshalb geräuschlos vor mich hin.

    Selbst beim Aussteigen am Ankunftsort bekam ich noch eine Restaurantempfehlung + Wegbeschreibung und Verabredung der beiden Gruppen mit.

    Also 19,30 Uhr… man würde es nicht bereuen.. das beste Essen auf der ganzen Halbinsel usw...

    Missmutig meinte ich zu meiner Frau, dass das garantiert ein elender Dreckladen wäre, wo man gezwungen würde, verdorbene Muscheln in Aspik u.ä. zu sich zu nehmen...usw.

    Da ich dauernd an diese Geschichte denken musste, wollte ich mir den Laden mal ansehen.

    19,30 Uhr hatte Familie eins schon Platz genommen und wartete auf die Urlaubsbekanntschaft.

    Die ließen sich allerdings den ganten Abend über nicht blicken.

    Das Essen war gut, aber so recht versöhnt war ich trotzdem nicht.


    Ich bin übrigens der Überzeugung, dass man, um seinen Urlaub richtig genießen zu können, so wenig wie möglich Fremdsprachen beherrschen sollte.


    Es grüßt

    :teasing-blah:

    sin_einsprachig

  • #4

    Meine Frau weiß nie, welche unserer Nachbarn welche Fahrzeuge fahren und grüßt daher manchmal nicht, was einige unhöflich finden könnten...


    Ich bin schon bei Rot über die Ampel gelaufen..Grund wr eine hübsche Frau, die einen sehr anmutigen Gang hatte.

    Als sie über die Kreuzung ging war wohl noch Grün.. Bei mir wohl schon lange nicht mehr...Erst eine Autohupe weckte mich aus der Fokussierung...



    Habe es vor 20 Jahren mal geschafft einen fetten Volvo-Kombi komplett beim Einbiegen auszublenden...Der war nicht da. Hätte ich schwören können...


    War er doch. Zum Glück war dessen Fahrer wenigstens wach und so kam er wenige Zentimeter neben meiner Autotür zum Stehen.


    In Gedanken war ich wohl schon viel weiter ( hoher Stresslevel) und da hat das Hirn diese Info fälschlicherweise als unwichtig aussortiert.

    Ein Leben ohne Motorrad ist möglich, aber sinnlos... :)

  • #5

    Smartphone macht blind und taub, ob auf dem Gehweg oder beim überqueren der Straße oder .......

    LG



    -. .. -.-. .... - .- .-.. .-.. . ... .. -- .-.. . -... . -. . .-. --. .. -... - . .. -. . -. ... .. -. -.

  • #6

    Erst einmal ein Beispiel aus dem Straßenverkehr und eigener, relativ frischer Erfahrung. Achtung, jetzt kommt ein "Roman"... :P


    Ich fahre mit dem PKW auf einer Landstraße als letztes Fahrzeug einer Kolonne und unterhalte mich locker mit meiner Frau. Es ist Sonntagnachmittag, Wetter und Sicht sind gut. Wir sind kurz hinter dem Ortsausgangsschild und trotzdem ist dort weiterhin Tempo 50, da hinter einer Linkskurve und nach weiteren ca. 200 Metern eine Straße von rechts einmündet und es dort schon häufiger gekracht hat. Unter anderem wurde dort im letzten Jahr ein Motorradfahrer getötet, der von einem Linksabbieger "offenbar übersehen" wurde. Warum genau so etwas immer wieder passiert, darüber müssen wir uns sicher nicht unterhalten.


    An der Einmündung steht ein Fahrzeug, das das nach links abbiegen will und sowohl den wenigen von rechts kommenden Verkehr als auch die von links kommende Kolonne brav passieren lässt. Ich weiß sogar noch, dass das Fahrzeug ein Mini war und am Steuer eine junge Frau saß. Ich halte ca. 15-20 Meter Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug und genau, als mein Vordermann die Einmündung passiert fährt der Mini plötzlich los - zum Glück recht langsam. Aufgrund auch meines relativ geringen Tempos und des halbwegs vernünftigen Sicherheitsabstandes konnte ich völlig instinktiv und problemlos um das einbiegende Fahrzeug herumlenken. Gegenverkehr war in dem Moment auch keiner da, ansonsten wäre mir nur eine Vollbremsung geblieben, die aber den Zusammenstoß definitiv nicht verhindert hätte.


    Da alles so schnell ablief und wir uns während der ganzen Aktion weiter unterhalten hatten haben wir uns nicht einmal großartig erschreckt. Natürlich haben wir uns anschließend über den Vorfall unterhalten und ich konnte meiner Frau aufgrund meiner Beobachtungen eine mögliche Erklärung liefern, die uns zum Thema "Selektive Wahrnehmung" bringt.


    Welches Detail war in dieser Situation so speziell mit der Folge, dass die Linksabbiegerin mein Fahrzeug offenbar überhaupt nicht wahrgenommen hat? Ganz einfach: ich fahre als letztes Fahrzeug einer Kolonne in einem schwarzen PKW und hinter mir ist die Straße für das Abbiegen frei. Das vor mir fahrende Fahrzeug war aber ebenfalls ein schwarzer PKW - zufälliger Weise sowohl die gleiche Marke als auch das gleiches Modell wie meines, was den Effekt sicher noch verstärkt hat.


    Ich bin natürlich kein Neurowissenschaftler, aber hier ist klar, dass im Bewusstsein der Fahrerin das zweite, identische Fahrzeug quasi nicht vorhanden war, weshalb ich ihr im Nachhinein auch keine größeren Vorwürfe machen kann. Für sie war die Situation so, dass nach "dem schwarzen Fahrzeug" die Straße frei war. Ich hoffe nur, dass ihr Gehirn abgespeichert hat, dass in solchen Situationen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, dass da eventuell noch ein "Zwilling" kommt...


    Wahrnehmung ist immer selektiv: Das Gehirn entscheidet ständig, welche Informationen wichtig genug sind, um ins Bewusstsein vorgelassen zu werden. Bei der selektiven Wahrnehmung (auch "Aufmerksamkeitsblindheit" genannt) filtert das Gehirn ständig Informationen heraus, da es nicht alle Reize und Informationen aus der Umgebung gleichzeitig aufnehmen kann. Manchmal gelingt es ihm aber nicht, aus der Vielzahl an visuellen und akustischen Informationen genau die relevanten sauber herauszufiltern.


    Übrigens: Wer von euch hat beim Lesen bemerkt, dass ich im ersten Satz des dritten Absatzes das Wort "das" absichtlich zwei Mal nacheinander eingebaut habe? ;) Das werden vermutlich die Wenigsten sein, weil unser Gehirn nun einmal so arbeitet, dass doppelte und damit überflüssige Informationen fast immer "ausgeblendet" werden.


    Ich habe mich vor vielen Jahren im Rahmen des IT-Projektmanagements auch mit dem Thema "Selektive Wahrnehmung" beschäftigt, daher aus diesem Bereich ein paar Beispiele, die der Studentin vielleicht helfen:

    • Wenn sich ein Projektmanager nur auf die geplanten Meilensteine, auf einen bestimmten Teil des Projekts oder auf die nächsten notwendigen Aktivitäten konzentriert wird er häufig einzelne Risiken übersehen, die im Endeffekt den Projekterfolg gefährden könnten.
    • Wenn ein Projektmanager übermäßig auf die Einhaltung von Zeitplänen und des Budgets achtet, wird er andererseits häufig die Qualität des Projekts vernachlässigen, was dann letztendlich zu Verzögerungen und höheren Projektkosten führt.
    • Das Bewusstsein eines Projektmanagers mit Hang zu Detailverliebtheit und Selbstkritik bewertet kleinere Verzögerungen in einem Teilprojekt ggf. stärker als den insgesamt positiven Projektfortschritt.
    • Ein Projektmanager hat einen sehr positiven Blick auf sein Team, kommuniziert das auch regelmäßig und übersieht dabei eventuell sich im Team anbahnende Konflikte.
    • Ein Teilnehmer eines Projektmeetings muss dringend zur Toilette. Der Gedanke an die volle Blase wird sehr schnell einen viel höheren Stellenwert einnehmen als die Informationen, die gerade im Meeting geteilt werden. (Gleiches gilt m.E. auch im Straßenverkehr - bei voller Blase nimmt die Aufmerksamkeit erfahrungsgemäß auch recht schnell ab.)

    Selektive Wahrnehmung ist natürlich auch, wenn man z.B. den Kühlschrank öffnet und die Margarine einfach nicht findet, obwohl sie gut sichtbar genau vor einem steht. Oder auch, dass in der Wohnung Staub erst ab einer Korngröße von 1 cm erkennbar wird - ein Problem, das aber nach Aussage meiner besseren Hälfte offenbar hauptsächlich uns Männer betrifft. :P


    Gruß, Stefan

    "Life is a lot like jazz... it's best when you improvise." (George Gershwin)

  • #7

    Zum Thema Haushaltspflege:


    Meine Frau und ich sehen auch ganz unterschiedliche Dinge.

    Während sie nen Staub'-Fetisch hat hasse ich Kalk- und Wasserflecken wie die Pest.

    Man könnte auch behaupten, wir ergänzen uns.


    Ab und an jedoch ist es kurios, aber mittlerweile glaubt meine Frau meinen Erklärungen.


    Beispiel: Wir wohnen noch in einer Maisonette-Wohnung mit eigenem Garten.

    Der Zugang zur Haustür schmal wie ein Heft.

    Ich komme also nach Hause.

    Meine Frau öffnet die Tür, ich nehme wahr:

    Sie ist gesund, hat gute Laune, Haken dran.


    Mit der guten Laune war es fast vorbei, als sie mich fragte, ob mir was ausgefallen wäre auf dem Weg zur Tür.


    Natürlich nicht.

    Wie hätte ich auch die 2 riesigen mit bunten Blumen bepflanzten Kübel links und rechts der Tür sehen können, wenn mein Hirn sich auf "Zustand der Frau" fokussiert hatte.


    Ebenso verhält es sich mit neuer Deko in der Wohnung oder wenn sie neue Klamotten trägt.

    Nehme ich meist nicht automatisch wahr, sondern werde freundlich darauf hingewiesen...


    Meinen Kollegen fällt es sogar auf, wenn ich mal neue Schuhe trage.

    Ich könnte nicht mal beantworten, wer vom denen heute welche Hose oder Hemd trug.... :)


    ABER :


    Wenn irgendwo was herumliegt, was da nicht hingehört, dann sehe ich das sofort.


    Oder wenn der Kater mit Dreckspfoten über mein Auto gelaufen ist.

    Meine Frau hingegen sieht nicht mal wenn Vögel auf ihr Auto geschissen haben....


    So ist das Gehirn eben. Es trennt vermeintlich Wichtiges von Unwichtigem.


    Was dabei wie gewichtet wird ist eine Frage von Prägung, Erziehung, persönlichen Referenzen und Erfahrungen sowie der jeweiligen Situation und mentaler und körperlicher Verfassung.

    Ein weites Feld....


    So zum Beispiel "ahnen" meine Frau häufig mutige Spurwechsel von Kraftfahrern auf der Autobahn ohne wirklich vorher sichtbare Anzeichen.

    Meine Schwiegermutter überhaupt nicht.

    Sie hat dafür " kein Gespür.

    Ein Leben ohne Motorrad ist möglich, aber sinnlos... :)

  • #8

    Hallo Reinhard,


    von der "selektiven Wahrnehmung" bin ich überzeugt.

    Deine zwei Beispiele zeigen, dass Du wach im Straßenverkehr unterwegs bist bzw. stehst :)

    Selektive Wahrnehmung ist für mich aber etwas anderes.


    Beispiel 1: ich kurve mit meiner NC durch die Gegend, sehe einen anderen NC-Fahrer und freue mich.

    Hätte ich keine NC würde ich das nicht gesondert wahrnehmen.


    Beispiel 2: das Traumauto meiner Tochter nach ihrem Führerschein war ein gebrauchter Fiat 500. Ab diesem Zeitpunkt hatte

    ich alle Fiat 500 wahrgenommen. Jetzt hat sie den alten Clio meiner Frau übernommen. Die Wahrnehmung für den Fiat schwindet.


    Das Ziel der allgemeinen Werbung ist selektive Wahrnehmung!


    Viele Grüße

    Michael

    Mein Werdegang mit motorisierten Zweirädern: Yamaha RD 50 > Hercules 3-Gang-Moped > SR 500 > DR 800-BIG > aktuell NC750X (RC72)

  • #9

    Wenn ich das lese, dann könnte ich glatt vermuten, dass wir beide Zwillinge sind, die nach der Geburt getrennt wurden... ;)

    "Life is a lot like jazz... it's best when you improvise." (George Gershwin)

  • #10

    . . . wenn ich das lese, habe ich den Verdacht, daß du, "tompeter" und ich Drillinge sind.

    Wenn ich anderen Frauen zuhöre, die sich über Männer austauschen, dann komme ich zu dem Schluss,

    dass die meisten Männer "Multilinge" sind.


    Reinhard

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