Hallo liebes Forum!
Bebra ist leider schon ne Weile her, aber ich erinnere mich gerne an all die netten NCler, die gern ihr Wissen geteilt haben. Ich wende mich heute an Euch, weil ich von meinem Motorrad total enttäuscht bin und gern wüsste ob ich das zu recht bin oder einfach meine mangelnde Kenntnis ursächlich war.
Also was ist passiert? Es ist gegen 11 Uhr mittags. Ich bin spät dran und nun auf dem täglichen Weg zur Arbeit durch die Innenstadt Berlins. Es regnet in Strömen und ich wollte eigentlich mit der BVG fahren, habe mich aber aus Zeitgründen fürs Motorrad (NC700S vom Herbst 2012 im Urzustand) entschieden. Nach ca. 1000 Metern komme ich in eine alltägliche Situation, die aber völlig anders abläuft als ich es erwarte:
Ich fahre um eine Ecke und sehe in ca. 100m eine rote Ampel, davor ein wartender Transporter. Ich beschleunige nicht weiter und lasse das Motorrad ausrollen, da ich die Ampel kenne und weiß die ist lange rot. Als ich dem wartenden Transporter nah genug bin habe ich vielleicht noch 20km auf dem Tacho. Der Abstand reicht aus um 3 Mal entspannt zu Bremsen. Ich betätige wie gewohnt die Handbremse und...
...nichts passiert!!! Naja, "nichts" stimmt nicht. Ich höre vom Vorderrad ein "UUUUUUUUUUUUUUUUUH". Was aber nicht passiert, ist irgend eine Form der Bremswirkung. Ich fahre seit Herbst fast täglich mit dem Teil - egal welches Wetter - und wenn auf irgendetwas immer Verlass war, dann meine Bremsen. Aber diesmal: Nichts! Ich starre völlig perplex auf meine rechte Hand, die immer noch in gleicher Stellung verharrt, und warte auf eine Reaktion der Bremse oder wenigstens das bekannte Stottern des einsetzenden ABS. Aber nichts passiert! Immernoch "UUUUUUUUUUH". Ich schaue auf, sehe die Rückwand des Transporters direkt vor mir! Das Vorderrad knallt gegen seine Stoßstange, das Motorrad hebt hinten leicht ab und ich versuche mich mit meinen Händen an der Heckklappe abzustützen um meine Aufprall abzufangen. Das Motorad fällt nach links um und ich hinterher. Krass. Was war das? Erster Check: Es kommt kein Auto. Zweiter Check: Mein Armes Motorrad! Dritter Check: Au, mein Handgelenk ist verstaucht. Ich springe auf und hebe mein Motorrad auf, als wäre es leicht wie ein Fahrrad. Ich zittere am ganzen Körper. nun steigt der Fahrer aus dem Transporter und fragt was los sei. Er hat vom eigentlichen Aufprall nicht wirklich was mitbekommen. Wir parken die Fahrzeuge am Straßenrand und rufen die Polizei. Es handelte sich um einen Firmenwagen. Ich erkläre dem Fahrer was passiert und wie unglaublich mir das eben erlebte erscheint. Ich hätte ausweichen können oder mit der Fußbremse bremsen oder abspringen oder ... aber damit, dass meine Bremse nicht reagiert hätte ich niemals gerechnet. Beim ADAC-Sicherheitsfahren war ich auch, wir haben Vollbremsungen in Pfützen gemacht und die Bremswirkung war immer nahe dem trockenen Zustand, das ABS funktionierte super. Auch lernte ich, dass man sich im Notfall auf die Handbremse verlassen soll, da man da 80% der Bremswirkung aufbaut. Und nun sowas?
Als ein Polizeiwagen vorbeifuhr winkten wir sie heran, in der Annahme das seien die die wir gerufen hatten. Es handelte sich aber zufälliger Weise um eine Motorradstaffel die gerade im Auto vorbeifuhr. Sie nahmen sich der Sache an und ließen sich von mir den genauen Hergang erklären. Als wir an den Punkt komplettes Versagen der Bremsen kamen horchten sie auf und meinten, wenn ich bei dieser Aussage bliebe müssten sie das Fahrzeug beschlagnahmen und von einem Experten untersuchen lassen. Da ich als Student nicht grade im Geld schwimme habe ich mich nach ihrer Meinung erkundigt. Sie sagten das wäre ein bekanntes Verhalten. Sie vermuten Aqua-Planing und eine nicht angepasste Geschwindigkeit. Hm. Wie langsam soll man denn bitte noch fahren? Ich habe mir die Fahrbahn nochmal angeschaut und konnte eine leichte Vertiefung (Spurrille) ausmachen. Alles schön und gut, aber wozu habe ich ABS? Ich vermute nun, das ABS sprang an, weil das Rad blockiert hat. Hat dann geprüft ob das Rad sich wieder dreht, wenn das ABS abschaltet. Das hat es dann vielleicht nicht und das ABS sprang wieder an. Daher gab es auch keine Bremswirkung und ich fuhr wie auf Schienen in den Transporter.
Ich habe mir extra ein Neufahrzeug mit ABS angeschafft, damit mir soetwas nicht passiert und nun habe ich wegen des ABS einen Haufen Kosten und Stress. Mein Vertrauen in das Motorrad ist komplett dahin.
Ich habe gleich noch den Hondahändler angerufen und mich erkundigt was er dazu meint. Er kenne solch Verhalten nicht. Ich sollte mal schauen ob es jetzt normal bremst. Das tat es beim Anschiebe-Abbremstest. Abholen würde er das Motorrad nur gegen Geld. Schade, ich hatte Angst nochmal zu fahren und der Schalthebel war total verbogen und auch die Handbremse nicht mehr an ihrem gewohnten Platz.
Ich habe es dann trotzdem gewagt und bin die 1000m im Schneckentempo nach Hause gerollt. Nun steht meine ehemals so geliebte Perle vorm Haus. Die Vollkaskoversicherung sagt die Reparatur sollte mindestens 700 Euro kosten, da meine Selbstbeteiligung sehr hoch ist. Ich vermute wenn die Federgabel etwas abbekommen hat wird es locker das Vielfache.
Nun habe ich euch den ganzen Hergang (vielleicht etwas ausführlich) beschrieben und hoffe auf Eure Expertise.
Für mich ergeben sich folgende Fragen:
1. Ist mein ABS defekt oder ist das ein normales Verhalten? Ich habe davon zuvor nie etwas gehört, sonst wäre ich darauf vorbereitet gewesen und hätte angemessen reagiert.
2. Lohnt es sich einen Gutachter einzuschalten? Ich scheue eigentlich nur die möglichen Kosten.
3. Sollte ich meinen Hondahändler aufsuchen oder eine andere (evtl. freie) Werkstatt für eine unvoreingenommene Meinung?
4. Kann man diesen Effekt vielleicht in irgendwelchen Fehler-Speichern auslesen?
Vielen Dank für Eure Meinungen. Ich bin total ratlos und enttäuscht.
Liebe Grüße
Lars