Ich bin umgestiegen von der NC auf die NT. Hier ein kurzer Erfahrungsbericht zur Maschine über die ersten 1.500 km in der letzten Woche.
Die NT ist die Vision der NC, aber weitergedacht. Eine Wollmilchsau, wie aus dem Lehrbuch.
Wer es nicht weiß: Die NT hat den Motor der Africa Twin, einen rau klingenden, souverän funktionierenden Zweizylinder, der für alle Lagen, in denen ich ein Motorrad bewege, ausreichend dimensioniert ist.
Der Zug am Gasgriff lässt nicht das Gesicht in Streifen hinter dem Motorrad, aber zügiges Überholen auf der Landstraße ist immer möglich.
Die Laufkultur ist gelinde gesagt großartig. Wenn man nicht im "D"-Modus, sondern im S1-3-Modus (zum DCT komme ich noch) unterwegs ist, dann darf die Tagesrunde gerne die 400 km sprengen. Das Ding will ein Date mit der Landstraße und die ruft "Nimm mich"!
Das einstellbare Federbein (im Übrigen ohne Werkzeug, im Unterschied zur NC) lässt fast jede Gewichtsklasse den gewünschten Komfort erreichen.
Design ist geschmacksabhängig. Sie will modern aussehen, ob das in 5 Jahren noch so funktioniert, bin ich mir nicht sicher. Da ist die NC zeitloser im Design.
Die Technologie im Herzen ist nicht so modern, wie es das Aussehen glauben macht. Es fehlt Kurven-ABS und das "IMU" (6-Achsen-Sensorik) der aktuellen Africa Twin ist auch nicht verbaut. Dass auf einen Kardan verzichtet wurde und eine Kette als Antrieb verbaut ist, muss dem Nutzer auch klar sein, hat für den funktionalen Teil aber keinen Nachteil zur Folge.
Der Verbrauch liegt bei 5-6 Litern. Realistisch muss alle 320-350 km getankt werden. Hier hat die NC klare Vorteile, was dem kleineren Motor geschuldet ist.
Die Seitenkoffer und die Griffheizung sind von Haus aus mit dabei. Die Koffer stören nicht das Gesamtbild, hätten aber etwas mehr nach innen verbaut werden können. Im Vergleich zur Alu H&B Lösung meiner NC bleiben die Koffer aber dauerhaft dran. Die Griffheizung tut, was sie soll, merkt sich aber den letzten Status und bleibt an, wenn man das Motorrad wieder einschaltet. Sollte man also im Kopf haben.
Verbaut ist ein 12V Zigarettenanzünder links und rechts ein USB-Port. Beide können für die Stromversorgung von Handys oder externen Navis verwendet werden. Der USB-Port hat noch eine weitere Funktion in Reserve. Verbindet man ein Handy darüber, wird sofort versucht, Android Auto oder Apple CarPlay im großen Display zu starten. Das kann man konfigurieren. Generell benötigt man dafür ein Headset. Die Grundidee ist sicher gut gemeint, ich werde damit aber nicht so recht warm. Ich muss mich zwischen den beiden Anzeigen (Motorrad-Status und Android Auto) entscheiden. Beide zusammen gehen nicht. Dafür hat man ein kleines Schwarz-Weiß-Display unter dem großen Farbdisplay verbaut, was mich an die NC erinnert und die notwendigsten Informationen anzeigt.
Der Kniewinkel ist bei mir (1,83 m) immer entspannt. Mit dem Komfortsitz (mein einziges Extra-Zubehör) tut der Hintern auch bei 400+ km am Tag nicht weh.
Das DCT kommt mit 4 Modi daher, die identisch mit denen der NC sind. Die Motorsteuerung lässt 5 weitere Ansprechverhalten einstellen: Tour, Stadt, Regen und 2 frei konfigurierbare. Korreliert man die alle miteinander, wird wohl jeder seinen persönlichen Wohlfühlbereich finden.
Der Unterschied zur NC für mich war: Ich bin auf der NC immer im D-Modus gefahren. Es hat wenig Gründe gegeben, in den Sportmodus zu wechseln.
Auf der NT ist genau der mir zu lasch. Kettenschlagen beim untertourigen Fahren. Die Schaltmomente fühlen sich nicht richtig an oder passen nicht zur jeweiligen Fahrsituation. Damit bin ich wirklich nicht zufrieden.
Glücklich bin ich im S1-Modus, dort fühle ich mich sicher und das Motorrad fährt sich rundum sorglos, egal ob ich Tour, Stadt oder Regen gewählt habe.
Die Scheibe und der Wetterschutz sind ja mal ein gigantischer Schritt. Die Hände und Füße werden mit jeweils einem eigenen Windschild vom Regen und den Wettereinflüssen geschützt. Die Scheibe lässt sich nur manuell und mit notwendiger Feinmotorik schnell verschieben. Bei 30 Grad nach unten, damit Fahrtwind an den schwitzenden Körper kommt, auf der Autobahn nach oben, wo selbst bei hohen Reisegeschwindigkeiten nichts, aber auch gar nichts mehr vom Wind zu spüren ist. Cabrio auf zwei Rädern. Wie so etwas funktioniert, wird mir ein Rätsel bleiben, aber ich liebe es.
Geschwindigkeiten. Man (ich) ist zu schnell unterwegs! Bin ich auf der Landstraße mit der NC von 80-100 km/h im Komfortbereich unterwegs gewesen, sind es jetzt 90-130 km/h. Ich habe das erst bemerkt, als der Abstand zum Mitfahrer immer größer wurde.
Auf der Autobahn pendelt sich eine Reisegeschwindigkeit um die 170 km/h ein. Da fühlt sie sich wohl und ich mich sicher. Der Tempomat, der standardmäßig verbaut ist, funktioniert ohne Probleme. Ich habe aber Angst, im Fall der Fälle nicht schnell genug reagieren zu können, also verwende ich ihn nicht.
Fazit: Ein wunderbares Tourenmotorrad auch für die ganz große Runde. Es erfüllt vieles, was ich mir erwartet und bei der NC fehlte. Tatsächlich ist es der Komfortgewinn, die Sitzposition und die angenehme Kraftverfügbarkeit, die mir sehr gut gefallen. Ich empfinde die etwa 5000 € mehr im Vergleich zur NC als gut angelegtes Geld für das weitere Betreiben meines Hobbys.
Danke fürs Lesen und euch immer gute Fahrt.
Daniel