Daß der Durchschnittsautofahrer viel mehr Leistung zur Verfügung hat als er nutzt ist nicht neu. Das gab es spätestens nach der Wirtschaftswunderzeit. Nach dem Krieg, als Stufenhecklimousinen wie der Goggo mit 10 kW oder Kompaktvans wie die BMW Isetta (ja, die Isetta war zwar klein, aber schon ein One-Box-Car, also eine Art Van) mit 250 bzw. 300 ccm mit 9 oder 10 kW fuhren hatten die wenigsten Fahrer zu viel Leistung, aber in den 60ern kam das bereits auf.
Und daran änderte sich nie mehr etwas, es wurde bloß schlimmer. Als ich in den 80er Jahren mit Autos wie einem 1200er Käfer mit 25 kW oder Enten mit 400 ccm und 17 kW oder 600er mit bis zu 21 kW begann, konnte ich mit diesen Autos im Stadtverkher praktisch jeden überholen - oder mich hinter ihm ärgern, daß der Trottel nicht fuhr. Das änderte sich auch mit der steigenden Motorleistung über all die Jahre nicht.
Aus Überzeugung und wegen der Kosten habe ich immer bevorzugt vernünftig motorisierte Autos gefahren, habe deren Leistung aber möglichst ausgenutzt. Heutzutage sollen Autos der Größe eines Polos schon mindestens 75 kW haben und bei der Golf-Größe erwartet man längst eher 100 oder mehr kW. Das ist in meinen Augen Irrsinn. Ein aktueller Polo wäre auch mit 44 kW schon gut motorisiert. 150 km/h auf der Autobahn und ein guter Antritt in allen Lebenslagen - für einen Anfänger mehr als genug und für einen vernunftbegabten alten Hasen sowieso.
Der Witz ist, bei unserer üblichen Verkehrsdichte kann man froh sein, wenn man es schafft, ein Viertel oder sogar mal ein Drittel der vorhandenen Leistung zu nutzen. Tja, und auf der Autobahn wird auch nicht so viel mehr genutzt, im Gegenteil, da wird die überflüssige Leistung oft bei 250 km/h gekappt. Dabei dürften selbst 200 km/h für die meisten Autofahrer reichen. Außer evtl. denen, die nur auf den traumhaften ostdeutschen Autobahnen unterwegs sind, das gebe ich zu. Macht man in der Praxis aber auch nicht. Kostet bloß Geld und wird irgendwann auch langweilig.
Hätten die heutigen Autos bei gleichem Durchzug die halbe Maximalleistung wie jetzt, würden das die meisten Autofahrer nicht einmal merken. So ein paar Vertreter und ein paar andere Leute schon, aber die überwältigende Mehrheit nicht.
Manche kaufen die Autos so, weil sie andere übertrumpfen möchten (Nachbarn, Kollegen, Kumpel, ganz egal), andere weil alle solche Autos kaufen und der Rest, weil es eigentlich gar keine anderen Autos mehr gibt.
Die typische Anfängerkarre von heute reicht für Tacho 200. Daß das selbst auf Autobahnen nicht immer und auf den übrigen Straßen schon gar nicht das richtige Tempo ist, haben die Anfänger noch nicht gelernt. Weshalb sich reihenweise die Anfänger zwischen 18 und 25 Jahren zerlegen.
Da wir nah an einer Bundesstraße wohnen, bekommen wir das oft genug mit. Die Bäume werden mit Folie umwickelt, damit die zerstörte Rinde nicht fault und wenigstens der Baum überlebt, daneben steht das Holzkreuz, das zumindest die erste Zeit noch regelmäßig gepflegt wird und aus der Zeitung weiß man, daß der Alarm der Freiwilligen Feuerwehr mal wieder einem übermütigen Anfänger galt, der es nicht überlebt hat.
Ich bin überzeugt davon, daß unsere Autos durchweg viel zu viel Leistung haben (weil man sie eh nicht brauchen kann), aber das wird sich nie ändern. Weil jede Pferdestärke mehr die Marge der Autohersteller und -Importeure und auch des Handels fetter werden lässt.
Gruß Michael