Liebe Freunde der heiteren Muse!
Da mich die Negativmeldungen, die die Presse in letzter Zeit hin und wieder über unsere alles geliebten Modelle verlautbaren ließ etwas betrübten und weil ich von früher her manches noch ganz anders in Erinnerung hatte, machte ich mich heute mit einer Petroleumlampe bewaffnet auf den Weg in meine Rumpelkammer gleich unter dem Dach.
Jetzt sitze ich in meinem Arbeitszimmer, halte in der rechten Hand ein Glas alten „Cles des Ducs XO“ und puste gerade die Staubschicht von der „Motorradfahrer“ anno Juni 2012:
Soso, Spaß am Sparen war in dieser längst vergangenen Zeit also angesagt… .
Im Hintergrund versetzt mich Max Raabe mit seinem „Roten Mohn“ gerade in eine melancholische Stimmung, während ich mich in den Bericht vertiefe…:
Crossover, neudeutsch für Moppeds, die verschiedene Gattungen miteinander vereinen, ist up to date. Und wie es sich gehört, bietet auch die NC-X mit breitem, hohem Lenker eine enduromäßige Sitzposition. Trotz X-mäßig längerer Federwege gerät die Sitzhöhe indes kommod, und zusammen mit der schmal konturierten Taille finden selbst kleinere Fahrer sicheren Bodenkontakt
Alles durchdacht.
Straßenmotorräder mit enduristischen Anleihen sind kein billiger Spaß. Nur die NC 700 X macht da für 5990 Euro inklusive ABS eine große Ausnahme.
Aber Einstiegspreis und ein auf Sparsamkeit getrimmter Twin sollten auch Wiedereinsteiger und Leute mit Sinn für ein praktisches Motorrad – das Staufach schluckt einen Integralhelm oder einen kleinen Einkauf – mit langen Wartungsintervallen (12.000 km) ansprechen. Nicht zuletzt deshalb, weil beim Spaß am Sparen selbiger beim Fahren nicht auf der Strecke bleibt.
Denn der flache Twin mit der 270°-Kurbelwelle pulsiert deutlich satter als viele echte V2.
Und die langhubige Motorauslegung steuert ihr Übriges zum NC-Charakter bei.
Nichtsdestotrotz setzt sie Klassenmaßstäbe in Sachen Kraftentfaltung. Früh hochschalten, dann geht’s richtig zügig voran. Nicht lange die Gänge ausdrehen…
Intuitiv wird bei rund 4000/min der nächste Gang des über kurze Wege präzise und leichtgängig arbeitenden Getriebes eingeklinkt.
Schon ab 60 km/h kommt die NC mit dem sechsten klar und drückt ab 70 so deutlich, dass man nicht nur im Meer der Bürgerkäfige mitschwimmt.
Auf unserer Normstrecke flossen nur 3,9 Liter durch die Einspritzdüsen der elektronischen Kraftstoffaufbereitung. Das ist Redaktions-Minimal-Rekord…
Mit der gleichen Souveränität mit der die NC bei echten 165 Sachen über die Autobahn rennt, stürzt sie sich freudig locker in die Kurven. Allerdings ohne nervös zu wirken, perfekt gelungen ist die Mischung aus Leichtfüßigkeit und harmonischer Kurvenfahrt.
Bis die Rasten über den Asphalt schrabbeln, ist man verdammt schräg unterwegs, und so manche Stiefelsohle muss zuvor dran glauben.
Die Gabel wie das progressiv über Hebel angesteuerte Zentralfederbein funktionieren ohne Einstellrädchen ordentlich – und das nicht nur mit einem 50-Kilo-Fahrer.
Federung wie Dämpfung sind ausreichend straff…
Dabei verdreht die einzelne Bremsscheibe die Gabel nicht. Kein Vergleich mit einer BMW G 650 GS, deren sich windende Holme den Lenker ziemlich schief drehen. Wie kraftvoll die Bremsanlagen bei entsprechendem Hand- und Fußeinsatz zur Sache gehen, belegt der Verzögerungswert von unter 39 Metern aus 100 km/h. Zugleich Beweis, wie sauber das ABS seine Arbeit verrichtet. Es gibt Motorräder zum zweieinhalbfachen Preis, die locker drei oder vier Meter mehr Weg brauchen.
Nein, die NC ist schon sehr durchdacht. Und dazu kommt die sorgfältige Verarbeitung made in Japan mit maßhaltigen, spannungsfreien Kunststoffteilen, die so logisch zusammengefügt sind, dass wir spaßenshalber – ohne Montageanleitung – den Luftfiltereinsatz ausgebaut haben.
Meinung von Tester Saliger:
Nein, mit Maximalwerten strotzt die NC nicht. Da wird nicht mit einem Höchstangebot an Power geködert. Die NC glänzt mit Minimalwerten: nämlich minimalem Verbrauch, minimalem Anschaffungs- sowie Unterhaltskosten, und das Ganze trotz moderner Motor- wie Sicherheitstechnik und japanischer Fertigung. Wenn das nicht zeitgemäß ist?
Das klang doch sehr gut…
Solche und ähnliche Beiträge haben mich seinerzeit zum Kauf verführt, den ich bis heute nicht bereuen musste... .
Okay, ich bringe dann mit eurer Erlaubnis die prähistorische Zeitschrift wieder nach oben, fülle meinen Schwenker noch mal, denke an längst vergangene Zeiten und lasse Max Raabe noch ein paar alte oder alt anmutende Songs schmettern… .
Abgestandene Grüße...
von
sin_rückblick...