Nach dem Verkauf der Marke an KTM schien die Technik der früheren Husqvarna-Offroader endgültig gestorben. Doch die Huskies sind wiederauferstanden: unter dem Namen SWM und finanziert aus China.
Es schien, als hätte jemand das Rad der Zeit mit einem langen Hebel zurückgedreht. Ampelio Macchi, von 1987 bis 2002 Chefingenieur bei Husqvarna, beäugte zurückhaltend die Szenerie, Ex-Husky-Projektleiter Ennio Marchesin schwärmte im Brustton der Überzeugung von den Chancen des Projekts, und die ehemaligen Husqvarna-Importeure halb Europas flachsten gut gelaunt über alte Zeiten – und eine neue Marke, die sie alle wieder verbinden soll: SWM.
Was war geschehen? Im Februar 2013 schien das Schicksal von Husqvarna besiegelt. BMW als glückloser Eigner des norditalienischen Offroad- und Supermoto-Maschinenherstellers hatte die defizitäre Unternehmenstochter an KTM verkauft. Die Österreicher schlossen die Produktionsanlagen und verwenden den legendären Namen seither für eine auf KTM-Technik basierende Offroad-Modellpalette. Die Restbestände der noch in Italien produzierten Husqvarna-Maschinen wurden abverkauft.
Low Cost statt Hightech
Doch nun feiern die alten Huskies plötzlich Wiederauferstehung. Der frühere Technik-Chef Macchi hatte mit Geld von Shineray, einem der größten chinesischen Motorradhersteller, das von BMW sanierte und renovierte Werk samt Produktionsanlage und den Rechten an den Konstruktionsplänen gekauft (siehe Interview). Und nun stehen sie da, die neuen/alten Ex-Huskies. Déjà-vu-Bikes: Technik, Design, ja selbst die typisch rot-weiße Farbgebung wurden übernommen.
Nur das Erfolgsrezept wurde geändert: Low Cost statt Hightech. Um die 6500 Euro, also etwa 2500 Euro weniger als die Konkurrenz, ruft die SWM-Truppe für die Wiedergeborenen auf. Zwei Offroad-Modellreihen umfasst das Portfolio: Sportenduros (SWM RS 300/500 R) und eine Hardenduro (SWM RS 650 R). Außerdem gibt es jeweils Supermoto-Ableger. Der dritte Familienzweig, nämlich Retromodelle, wird ab November produziert.
Die Offroader stehen aber schon jetzt in den Startlöchern, tuckern bereits ruhig vor sich hin. In der Tat, nur das Logo auf Tankverkleidung und Gehäusedeckel unterscheidet die SWM von ihren Ahnen. Sicher keine schlechte Basis. Die 250er- und 300er-Modelle hatte Husqvarna noch 2013 auf WM-Ebene eingesetzt. Die einzige Änderung: Die Software der Benzineinspritzung liefert nun der italienische Offroad-Spezialist Athena statt Mikuni. Die Federelemente stammen nun vorn und hinten vom japanischen Zulieferer Kayaba (vorher: Sachs/Kayaba). Letztlich begrenzt sich der chinesische Einfluss nur auf Motorgehäuse und Getriebe, die – wohl aus Kostengründen – aus chinesischer Produktion stammen.
Insofern überrascht auch die erste Sitzprobe nicht. Schlanker Knieschluss, flache Sitzbank, gelungene Ergonomie. Kein Unterschied zu den Ex-Huskies. Und bereits auf den ersten Metern dokumentiert die bei der Präsentation gefahrene SWM RS 300 R ihre Erbmasse mit dem unverwechselbaren Husqvarna-Fahrgefühl. Denn Traktion ist, womit die Italienerin nach wie vor protzt. Egal, wie schmierig das Terrain, Gas auf und der dohc-Motor schiebt die Fuhre stoisch ruhig voran. Lässt – unterstützt von der weichen Federungsabstimmung – die Räder förmlich am Boden kleben.
Sensible und gut dosierbare Bremsen
Vor allem in glatten Kehren verbeißt sich die Front regelrecht in den Boden, lässt sich auch mit moderatem Körpereinsatz zielgenau die Innenspur kratzen. Dass die gut ansprechende Upside-down-Gabel der SWM RS 300 R noch mit der preiswerteren Open-Cartridge-Technik arbeitet, stört im Enduroeinsatz nicht im Geringsten. Auch die Bremsen (Brembo) zeigen sich sensibel und gut dosierbar. Allerdings: Mit der von einem hubraumschwachen Motor erwarteten Quirligkeit kann das Ex-Husky-Triebwerk nach wie vor nicht aufwarten. Relativ träge tritt der Kurzhuber an und vibriert in den oberen Drehzahlen spürbar. Vor dem Hintergrund der in jüngster Zeit immer spritziger werdenden Konkurrenz-Antriebe hat der 300er an Boden verloren.
Dennoch: Auf den bloßen Einsatz im Amateurbereich muss sich die SWM RS 300 R nicht reduzieren lassen. Das hat die TE 310, wie die SWM als Husqvarna noch hieß, nicht nur in den Ergebnislisten, sondern auch an der Ladentheke bewiesen. Noch vor zwei Jahren war sie das meistverkaufte Husky-Sportenduro-Modell – zu einem Listenpreis von 8500 Euro.
Motocross-Piste, Offroad-Wanderung, Asphalt-Einsatz
Den Rückzug von der Hochpreisfront hat die SWM RS 650 R, letztmals im Jahr 2012 unter dem Namen Husqvarna TE 630 für 6900 Euro angeboten, bereits zu Husky-Zeiten angetreten. 6500 Euro kostet sie als SWM. Mit dem in seinen Grundzügen bereits 20 Jahre alten Motor führt der 600-cm³-Single als einer der ganz wenigen aktuellen Konzepte die Tradition der hubraumstarken Hardenduros fort. Und gibt sich durch und durch von diesem Geist beseelt. Wie eh und je untermalt das feine Ventiltickern aus dem dohc-Zylinderkopf den sonoren Bass, tritt der Einzylinder bereits aus tiefen Drehzahlen ohne nennenswertes Hacken an, dreht danach frei hoch.
Weil das universelle Konzept den bedachten Ritt auf der Motocross-Piste genauso erlaubt wie die Offroad-Wanderung oder – entsprechend umbereift – den sportiven Eckenwetz auf Asphalt, könnte es der grauen Eminenz auch unter neuer Leitung wohl noch ein langes Leben garantieren. Auf das die junge SWM-Initiative grundsätzlich hoffen kann. Abseits des Spitzensports wird die Kombination aus bewährter Technik und attraktiven Preisen sicher für Neugier sorgen. Manchmal reicht es vielleicht auch, das Rad einfach zurückzudrehen, anstatt es neu zu erfinden.
http://www.motorradonline.de/e…0-r-im-fahrbericht/671372
Hmmm Motorgehäuse und Getriebe aus Kostengründen aus China? Da würde ich mir dann doch lieber einer gebrauchte Husqvarna Supermoto kaufen.