Wieviel Kettendurchhang braucht mein Motorrad wirklich? Eine Messung der Abhängigkeit des Kettendurchhangs vom Einfederweg.

  • #1

    Ja, ich weiß - der einzustellende Kettendurchhang steht im Handbuch: Thema erledigt. Aber ich bin ungezogen und finde Sachen gerne selbst heraus.


    Der Kettendurchhang ist eine Reserve an Kettenlänge, die gebraucht wird, wenn sich der Abstand zwischen Ritzel und Kettenrad vergrößert. Der Abstand zwischen diesen beiden Bauteilen ändert sich, abhängig von der Auslenkung der Schwinge. Ist die Schwinge in einer Position, bei der Ritzelachse, Drehachse der Schwinge und Kettenradachse auf derselben Geraden liegen, ist der Abstand zwischen Ritzel und Kettenrad am größten. In dieser Situation wird die größte Kettenlänge benötigt und der Bedarf an zusätzlicher Kettenlänge speist sich aus dem Durchhang.


    Ist der Kettendurchhang aufgebraucht, zwängt die Kette Ritzel und Kettenblatt zusammen und übt auf die beteiligten Bauteile so große Kräfte aus, dass sie zerstört werden können. Ich denke da hauptsächlich an Lager.


    Die Kettengleiter, die den Verlauf der Kette zusätzlich beeinflussen, muss ich vorerst ignorieren, weil beim Forza, ohne die Verkleidung demontiert zu haben, die Kette und ihr Verlauf nur innerhalb kleiner Abschnitte zu beobachten ist.


    Das Ziel ist, an meinem Forza 750 (RH11, 2024), den unbedingt notwendigen minimalen Kettendurchhang zu ermitteln. Es geht mir primär nicht darum, hier eine Zahl zu präsentieren, sondern den Weg zu dieser Zahl zu beschreiben. Im Wesentlichen habe ich das hier gemacht:


    Abhängigkeit des Kettendurchhangs vom Einfederweg
    Auf YouTube findest du die angesagtesten Videos und Tracks. Außerdem kannst du eigene Inhalte hochladen und mit Freunden oder gleich der ganzen Welt teilen.
    youtu.be


    Dann habe ich schrittweise verschiedene Einfederwege eingestellt und den resultierenden Kettendurchhang gemessen. Beginnend bei Einfederweg=0, also die Lage der Schwinge, wenn das Motorrad auf dem Hauptständer stünde und das Hinterrad in der Luft wäre. Der so ermittelte Zusammenhang zwischen Einfederweg und Kettendurchhang:



    Die absoluten Werte für den Durchhang sind hier nicht wichtig - sie hängen vom während des Experimentierens zufällig eingestellten Kettendurchhang ab. Wichtig ist die Charakteristik, die erkennen lässt, bei welchem Einfederweg die meiste Kettenlänge benötigt wird und wo der Umkehrpunkt ist. Interessanterweise ist der Umkehrpunkt genau da, wo der Federweg des Hinterrads endet - beim Forza bei 120mm.


    Durch die Trennung von Schwinge und Federbein konnte ich 150mm Einfederweg erreichen. So ist die Umkehr deutlich zu erkennen. Wie gesagt, die Kettengleiter haben da sicher auch einen Einfluss, aber den konnte ich mangels Sicht nicht beurteilen.


    Jetzt weiß ich also, bei welchem Einfederweg die größte Kettenlänge gebraucht wird. Bei diesem Einfederweg kann der Durchhang im Prinzip auf Null gestellt werden, denn In allen anderen Stellungen der Schwinge wird der Abstand zwischen Ritzel und Kettenblatt immer nur noch kleiner. "Im Prinzip auf Null" heißt, dass ich trotzdem einen Durchhang einstellen sollte, um auf Eventualitäten vorbereitet zu sein. Kettenräder sind manchmal nicht zentriert montiert und es ist ratsam, für diese Exzentrizität etwas Kettendurchhang zur Verfügung zu lassen.


    Nun habe ich bei diesem speziellen "Einfederweg mit größtem Zahnradabstand" den minimal notwendigen Kettendurchhang eingestellt, das Motorrad fahrfertig gemacht und es auf den Hauptständer gestellt. Und in diesem Augenblick stellt sich der Kettendurchhang ein, der eigentlich im Fahrerhandbuch stehen könnte. Ich werde mir mit diesem Maß eine Lehre machen, die ich zwischen Schwinge und Kette halten kann - und diese Lehre kann mir dann zeigen, welcher Kettendurchhang auf keinen Fall unterschritten werden darf.


    Bei mir sind es jetzt etwa 30mm zwischen Oberkante Kette und metallischem Teil der Schwinge. Das Handbuch gibt 45mm vor - allerdings zwischen Mitte Kettenniet und der Ebene, auf der der Kettengleiter montiert ist - und die ist am Grund einer Hinterschneidung, also an einer Stelle, die man noch nicht einmal sehen kann. Vor dem Hintergrund, dass es bei dem ganzen Einstellprozess, neben Messungenauigkeiten, zahlreiche Definitions- und Interpretationshürden gibt, ist die Honda-Vorgabe "45mm" durchaus plausibel und fehlertolerant.



    Edit: Einbettungslink

  • #2

    Super erklärt ! Selten, dass jemand mal so einen Aufwand betreibt !

    An meiner Enduro habe ich 300 mm Federweg !

    Auch da gibt es im Handbuch Vorgaben wie der Kettendurchhang einzustellen ist - auf dem Seitenständer.


    Vor Jahren habe ich mir mal die Mühe gemacht und mit Spanngurten das Heck soweit runtergezogen, dass die Schwinge wagrecht stand (eine Ebene mit dem Ritzel).

    In dieser Stellung war die Kette bei der vorgeschriebenen Einstellung relativ stramm, aber nicht zu extrem gespannt. Werkseinstellungen sind also korrekt.

    Allerdings: Fährst du im Sand oder Matsch empfiehlt sich die Kette lockerer einzustellen, da durch Schmutz/Sand zwischen Kettenrad und Kette der Extrempunkt schnell überschritten werden kann.

    Grundsätzlich stelle ich die Kettenspannung auch an der NC immer ein wenig zu locker ein. Eine zu stramm gespannte Kette belastet unnötig das Lager am Ritzel und könnte im Extremfall zum Riss der Kette führen (kenne aber niemanden, dem das passiert ist). Bei einer - leicht - zu lockeren Kette besteht nicht die Gefahr des Abspringens, maximal ein leichtes Schlagen und Unruhe beim Fahren.

  • Hey,

    dir scheint die Diskussion zu gefallen, aber du bist nicht angemeldet.

    Wenn du ein Konto eröffnest merken wir uns deinen Lesefortschritt und bringen dich dorthin zurück. Zudem können wir dich per E-Mail über neue Beiträge informieren. Dadurch verpasst du nichts mehr.


    Jetzt anmelden!