So, kurz vor der "Winterpause" noch was Neues. Eingangsfrage:
Was haben ein Kantholz, ein Orkan, Extremitäten eines Orang Utan und eine Suppe mit Einlage gemeinsam....?? oder anders
Deftiger würziger Eintopf... verlangt das nach Nachschlag? - Test einer 2014er KTM 690 Enduro R
Kurz zum Fahrzeug noch ein paar Fakten. Die R besaß einen offenen Luftfilterkasten, den Powerparts Endtopf und das Evo 1 Mapping
Optischer Eindruck war äußerst vielversprechend. Hoch, schlank, drahtig und sah aus nach "Steig auf, hab Spaß mit mir, gibs mir dreckig". Also aufgestiegen und Oha, also das ist mal ne Sitzhöhe, selbst mit meinen 1,86m und recht langen Beinen kam ich gerade so mit beiden Beinen flach auf den Boden. Rangieren, trotz des leichten, fahrfertigen Gewichts war in der Ebene auf Asphalt gerade so noch möglich, gegen Ende des Tests auf dem Schotter- und Dreckfeldweg war da nix mehr zu machen. Achja, im Stehen fahren empfand ich die R jetzt nicht besser zu dirigieren als die X, hat mich sehr verwudert. Dazu kam der äußerst bescheidene Lenkwinkeleinschlag, verdammt wenig!
Einmal oben gesessen hatte man das Gefühl auf nem Hochsitz zu sitzen, was sich während der Fahrt noch verstärkte. Das als Sitzbank bezeichnete, leicht gepolsterte und durch nen Überzug getarnte Kantholz war aber zunächst gar nicht so schlimm. Entweder, ich war so viel mit anderem beschäftigt, oder die Testrunde war zu kurz, oder aber sie könnte aus einem gewissen Grund sogar für mich passen. Denn: aus meiner Zeit als MTB/RR wars so, dass ein Sattel auch sehr hart sein konnte, solange die Sitzbreite passte. Denn, sitzen die Sitzknochen korrekt auf und wird der darüber hinausquellende Arsch nicht noch geknautscht, dann wars immer recht gut zu ertragen. Nach Eingewöhnung wars auch immer recht gut. Ein breiter Sattel dagegen drückte immer auf die Pobacken, was mehr Probleme bereitete. Es war sicherlich ne Mischung aus allem!
Dann mal los, Motor an. Hmmm, klingt lecker, obs auch schmeckt? Kupplung war recht gut zu dosieren, klasse leichtgängig, die Gänge flutschten super und die Gasannahme war seeeeeeeehr direkt über Ride by wire. Ok, das Mapping war auch auf direkt Gas gestellt, unter der Sitzbank gab es so nen Regler, der mehr oder minder aggressives Reagieren auf Gasbefehle umgesetzt hätte. So wars halt auf maximal scharf. Auch das Fahrwerk, welches ja voll einstellbar ist, war auf Road getrimmt. Das merkte ich auch schnell, viel Komfort war trotz der 250mm Federwege nicht vorhanden, sportlich straff eingestellt möchte ich mal sagen.
Nach dem Eingewöhnen gings dann noch etwas rundherum, mein Guide Auenwälder (THX ) hatte ne schöne Runde gehabt vom Startpunkt. Die vielen Kurven waren trotzdem nicht so ganz zum genießen. Zum einen waren erst 2 Tage zuvor neue Trail Attack aufgezogen worden und zum anderen ist das Fahrgefühl aus Sitzhöhe und Handling sehr ungewohnt. Erst gegen Ende hatte ich mehr Vertrauen, dann waren auch Kurven nicht mehr ganz so Spaß bremsend. A pro po Handling- ja, leicht zu dirigieren war sie, aber irgendwie hatte ich den Eidruck, als würde das 21er VR doch nochmal etwas nachdrücklicher nen Richtungswechsel machen wollen. Ungewohnt, aber sicher keine größere Sache. Die Mischung aus Sitzhöhe und Handling war da schon nochmal ungewöhnlicher. Wirklich schräg traute ich mich nicht. Aber mit mehr Zeit und mehr Vertrauen ist sicher viiiiel mehr drin und dann fetzt es um die Ecke.
Zum Motor. Was da aus einem Topf und mit dem Mapping etc gezaubert wurde ist schlichtweg beeindruckend. Druck in 2erlei Hinsicht. Zum einen zieht der Motor bei richtiger Drehzahl und Gang wirklich tierisch an! Druck, richtig Druck. Und zwar so, dass es dir die Arme langzieht (Orang Utan), du das Gefühl hast, auf dem Kantholz nach hinten runterzurutschen, und das Ganze so heftig ist, dass ich mit meinen Griffeln kaum mehr an die Kupplung gekommen bin zum Hochschalten. Da war Festhalten angesagt, boah, scharf scharf. UND: beängstigend. Wie andere das in Vidoes machen? Ist mir zu heftig. Das hatte aber sicher auch einen weiteren Grund: keinerlei Windschutz, somit Druck Teil 2. Der Winddruck war ab 80 schon richtig ordentlich, ab 100 gings grad noch so und ab 120kmh nur noch festhalten angesagt, Orkan triffts ganz gut. Da kannste nicht auf der Autobahn lange mitschwimmen, heftigster Winddruck.
Kommen wir zum Motor und nicht richtigem Gang und Drehzahl. Nun ja, dann geht recht wenig oder besser: Dann ruckt und hackt es ordentlich. Untertourig Bummeln? Geht nur, wenn du 1 bis eher 2 Gänge weniger als auf der X fährst. Es schüttelt ansonsten gar fürchterlich und du hast Sorge, Schrauben würden sich troz Schraubensicherung mit der Zeit alleine Rausvibrieren. Auch muss man mehr mit der Kupplung spielen beim langsamen Fahren, so zumindest mein endruck im Vergleich zu den anderen Schalter-Testkandidaten. Aber, ist so, bei den Eintöpfen von KTM. Muss man mögen, mich stresst es zu sehr und macht noch mehr Schaltarbeit nötig. Auch, weil das Teil so schnell hochdreht, dass du ebenfalls sehr schnell schalten musst. DCT würds richten, für viele (alle) würde da wohl alles an Charakter verloren gehen.
Was als Eindruck übrigbleibt ist, dass das Teil tierisch geht, aber für mich eben nicht mehr kann und/oder ich damit nicht mehr anfangen kann, weil ich die Möglichkeiten einer Enduro R als Fahrer stark begrenze. Gerade aber Bummeln oder konstant 120 kmh fahren geht entspannt recht dürftig, dazwischen ist aber sicher für jemanden der die R handeln kann der Spaßfaktor unbezahlbar.
Allerdings war auch positiv auffällig, dass es Drehzahl-Gang- und Kmh Bereiche gab, in der die Ednuro R sich wirklich sehr sehr vibrationsarm/-frei fahren ließ und wirklich sehr angenehm war. Welche Kombinationen das waren, bekommen ich aber nicht mehr rekapituliert.
Kommen wir noch zum Klang: Der Motor selbst klingelt merklich, muss aber laut Aussage vom Händler so sein. Der Auspuff ist der Hammer. Obwohl ich aufgrund der Wetterlage meinen Shoei Straßenhelm aufhatte, der dick gepolstert den Kopf wärmt und den Schall stark draußen hält, war der Klang immer präsent. Von meiner X mit Leo&Vince hörte ich damit weniger, als mit meinem Enduro-Sommerhelm. Aber die KTM war immer präsent, sie sprotzelte gar heftig im Schiebebetrieb, beim Angasen schossen dir die Eintopf typischen Bollerrythmen direkt in den Gehörgang. Möchte nicht wissen, wie das für die Umwelt ohne Schalldämpfende Maßnahmen auf dem Kopf geklungen haben muss. Tierisch gut, aber tierisch aufgringlich und für mich damit peinlich und auf Dauer nervig. Ab und an mal beim Rollen Kupplung und am für andere Quell-der-Freude-Griff gezogen...
Das Resümee:
Warum fahr ich sowas? In einem Anflug aus Spinnerei stellte ich mir vor, das wäre DIE Basis für einen im Vergleich leichten reisetauglichen Umbau a la Rally Kit. Es gibt da mehrere Anbieter, einer davon in Basel von der KTM AG. Kosten knapp 6000€. Mit der Anschaffung eines Neufahrzeugs oder einer jungen Gebrauchten biste dann mindestens beim Preis einer DCT AT. Dachte ich mir so. Jedenfalls hätte die Verkleidung nach Rally Art den Windruck genommen, womit zügges Fahren sicher möglich wäre. Auch die Erweiterung des ab Werk recht bescheidenen Tankvolumens von um 12l wäre immens vergrößert worden je nach Kit.
Was das Kit aber nicht kann, ist den Motorcharakter, die Sitzhöhe und den Lenkeinschlag zu entschärfen. Das bleibt für mich ungeeignet, nicht alltagstauglich und ist somit schlichtweg Blödsinn, pure Spinnerei gewesen. ABER: jetzt weiß ich es wenigstens
Allen, die so eine Enduro R oder SMC R krass bewegen können, zolle ich meinen Respekt, die haben es schon richtig drauf. Meine Welt ist auch dieser Kandidat nicht. Verlangt dieser Eintopf nach Nachschlag? Bei mir nicht, ist mir zu scharf und die Zutaten passen weniger zu meinem Gaumen und Geschmacksvorlieben.
The Story goes on...