Vor meiner einwöchigen Schwarzwaldtour mit Abstecher auf den St. Gotthard hatte ich mich entschieden, nach gelegentlichen Tests der freien Version des Smartphone-Navisystems für Motorradfahrer Kurviger die 6,99 € dranzuhängen und Kurviger Pro, also der Vollversion eine Chance zu geben. Die Vollversion bietet echte Navigation, also Streckenführung optisch und akustisch sowie die Möglichkeit, das benötigte Kartenmaterial aufs Smartphone zu laden und somit offline zur Verfügung zu haben. Die Onlineverbindung wird dann nur noch für GPS benötigt.
Mich hat die Leistung überzeugt, ich werde die Software weiterhin benutzen - so weit mein Fazit ganz in Kürze.
Ein paar Erfahrungen in Details...
Routenplanung:
Ich setze mich am Abend in Ruhe hin (z.B. nach dem Essen im Hotelrestaurant) und plane auf meinem Tablet-PC über die Website kurviger.de mein(e) Ziel(e) und die entsprechende(n) Route(n) für den nächsten Tag. Dazu wähle ich aus den drei grundlegenden Vorgaben zur "Kurvigkeit" (schnell, kurvenreich, sehr kurvenreich) aus und lege erst einmal Startpunkt und Zielpunkt fest. Das kann auch ein Zwischenziel für den Tag sein, das Ziel lässt sich jederzeit (auch auf der Tour selbst) neu festlegen bzw. erweitern. In wenigen Sekunden hat Kurviger eine Route erzeugt, und diese schaue ich mir erst einmal näher an. Ich lege nun weitere Detailvorgaben über bestimmte zu vermeidende oder zu bevorzugende Straßentypen fest und schaue mir nach der Neuberechnung die vorgeschlagene Strecke an. Im nächsten Schritt greife ich direkt auf der Karte in die Streckenführung ein, um z.B. bestimmte sehenswerte Orte oder besondere Straßenabschnitte als Zwischenziele einzubinden - oder auch um bestimmte unerwünschte Streckenabschnitte herauszunehmen. Wenn ich mit der Vorschlagsroute zufrieden bin, auch mit den berechneten Streckenkilometern sowie der abgeschätzten Fahrzeit, speichere bzw. exportiere ich die Route z.B. als .gpx oder .kurviger. Über eine geeignete Verbindung übertrage ich diese Routendatei schließlich auf das Smartphone, um sie dort von Kurviger Pro zu importieren. Ganz schnell geht das über die Teilen-Funktion und den dort erzeugten QR-Code, über den man die Route direkt vom Smartphone aus in die Kurviger-App laden kann.
Alternativ kann ich diese Routenplanung natürlich auch direkt in der Smartphone-App vornehmen, auch hier stehen alle Möglichkeiten zur Verfügung. Es ist halt aufgrund des kleineren Bildschirms und der Touchscreen-Fummelei nicht ganz so komfortabel wie auf dem Tablet oder PC.
Über die Feinsteuerung des Routings (beim Exportieren) mittels zusätzlicher "Waypoints" u.ä. kann ich nichts sagen, das habe ich noch gar nicht ausprobiert.
Fahren:
Unmittelbar vor der Abfahrt starte ich das Routing. Ab da lasse ich mich vom System führen. Das geschieht gleichzeitig optisch recht gut vom Smartphone-Display ablesbar und akustisch via System-Sprachausgabe - was ich mangels Kopfhörerverbindung im Helm aber nicht beurteilen kann. Ich navigiere also nur optisch, was ziemlich problemlos gelingt. Verfahre ich mich, sehe ich das ganz schnell am Display, das System sagt es mir aber auch recht deutlich - wenn ich es denn hören könnte. Anhalten, umdrehen und auf die richtige Route zurück, kein Problem. Auch längere Umleitungen aufgrund von kurzfristigen Streckensperrungen sind kein Problem. Ich halte entweder kurz an, um mir auf der Karte (im Navi) die Situation und den möglichen Umweg anzuschauen oder ich fahre einfach stur der Umleitung nach - kurze Zeit darauf hat das Navi die neue Route nachberechnet und ich kann mich wieder führen lassen.
In der Quer-Position am Lenker montiert, habe ich das Problem, dass mir bevorstehende Abzweigungen erst relativ spät angezeigt werden. Als alt-erfahrener Straßenkarten-Fahrer bin ich gewohnt, sehr früh schon die nächste(n) Abzweigung(en) zu wissen und damit vorauszusehen. Ich muss also demnächst mal schauen, ob ich dies verbessern kann, indem ich das Smartphone in die Vertikale drehe - das Streckenrouting verläuft ja immer von "unten" nach "oben" auf dem Sichtfeld.
Das Drumherum und die Technik:
Tatsächlich ist das Smartphone nicht die Optimallösung für Navigation am Fahrzeug, am Motorrad sicher noch weniger als im Auto. Es ist ein praktikabler Kompromiss, wenn man die minimalen Kosten (Nix plus 6,99 €, weil man das Smartphone sowieso schon hat) gegenüber einem mehrere Hundert Euronen teuren Navigationsgerät berücksichtigt. Man muss dabei Folgendes bedenken:
Navigation via GPS kostet jede Menge Akkustrom. Mein Huawei P8 lite ist nach knapp 2 Stunden Navigation auf 50% Ladestand herunter. Es braucht also entweder einen stationären USB-Anschluss am Bike oder - meine Lösung - eine gut genährte Powerbank, die man entweder mit in die Halterung packen kann oder im Staufach unterbringt, mit USB-Kabel ans Smartphone angeschlossen
Das Smartphone wird ziemlich warm, wenn nicht sogar heiß. Man sollte also irgendwie für Kühlung per Fahrtwind sorgen oder öfter mal eine Navi-Pause einlegen. Ich lasse den Reißverschluss meiner Smartphone-Lenkertasche an der Oberseite offen, das hilft schon etwas. Aber bei Regen?
Die Touchscreen-Bedienung (falls überhaupt während der Fahrt nötig) ist natürlich problematisch, denn man hat nicht nur Handschuhe an, sondern auch noch die transparente Plastikscheibe der Hülle vor dem Display. Mit meinen sommertauglichen leichteren Lederhandschuhen klappte das ganz gut, mit den wasserdichten Textil-Lederkombihandschuhen eher nicht
Insgesamt war mir Kurviger Pro als Navigationssystem wirklich hilfreich, es ist ein einfach zu bedienendes und übersichtliches App-System, wobei ich noch gar nicht alle Feineinstellungen ausprobiert habe. Dies vor allen Dingen mit Blick auf den wirklich winzigen Preis für die Smartphone-App.