Ich kannte als Kind in einer bäuerlichen Großfamilie noch die geheimnisvolle Zelebration des ganzen Advents, bis leider der ganze Zauber bei meinen Eltern dem praktischen Wiener&Kartoffelsalat-Fest geopfert wurde. Was war ich froh, als ich mit schlanken 18 Jahren meine heutige Frau kennenlernte, deren Familie sich allabendlich zu mehrstimmigen Gesängen, zu Gitarren- und Klavierspiel, zum gegenseitigen Vorlesen und Erzählen vor dem Kamin versammelte (Ja sowas gibt es!)
Und so haben wir gerne die Traditionen dieser Familie zum größten Teil übernommen und an unsere Kinder weitergegeben. Auch wenn das gemeinsame Singen seit dem Verlust eines Stimmbands bei mir leiderleider kaum noch stattfinden kann, so legen meine Töchter dennoch allergrößten Wert auf die Einhaltung der Rituale. Jetzt sind sie gerade von Ihren Studienorten eingeflogen und schon beginnt das muntere Backen, der Glühwein duftet und die alten Brettspiele kommen zu neuen Ehren. Heile Welt, ja - aber schöööön!
Traditionell stelle ich den Christbaum am 23. auf, damit er sich schon mal eingewöhnen kann.
Am Heiligabend fahre ich morgens in der Dunkelheit in unsere nächste Stadt, um die bestellten Schmankerln abzuholen. Ich mache das nicht nur, um beim Abholen der erste zu sein. Nein, es ist die stille Stadt, die mich anzieht. Und da treffe ich dann - bevor die Bettelprofis anrücken - den einen oder anderen armen Schlucker, Tippelbrüder und sonstige vom Leben gezeichnete. Für die habe ich dann immer ein paar größere Scheine parat. Und die ungläubigen Gesichter und die ehrlichen Dankesworte - das ist dann MEIN allerschönstes Weihnachtsgeschenk. Das ist MEIN Weihnachten.
Nach Abholung der Fressalien wirds Zeit für die einzige Weißwurst im Jahr - danach liefere ich das Zeugl zuhaus ab, wo die Töchter schon den Baum geschmückt haben und nun mit Ihrer Mutter das Buffet für den Abend vorbereiten. Um ca. 11.00 morgens ist alles fertig und wir können uns den Zeremonien widmen. Nach einer stärkenden Suppe und einem kleinen Nickerchen zieht die ganze Familie nebst Hundevolk los auf eine weihnachtliche Wanderung. Passt die Wetterstimmung, sprich: haben wir Schnee, dann habe ich auch immer eine Handvoll Kerzen dabei, mit denen ich im Wald ein Bäumlein verziere. Da stehn wir dann davor und singen ein wenig...
Nach zwei bis drei Stunden gehts nach Hause, wir trinken Tee, erzählen Geschichten und musizieren ein wenig. Manchmal sind wir auch faul und gucken "Drei Nüsse für Aschenbrödel"
Um 18:00 begeben wir uns zum Christbaum. Wir lesen uns ein paar herzerwärmende Geschichten vor und weinen ein wenig (weil es uns sooooo gut geht). Danach halte ich es für notwendig, meine atheistischen Töchter (ich bin eher Agnostiker) an den Ursprung des Festes via Weihnachtsevangelium zu erinnern. Ab dem Punkt bemerken wir die Trockenheit im Raum und den Kehlen und schaffen Abhilfe.
Nach den Geschnekorgien (wir haben es immer noch nicht geschafft, das zu reduzieren), essen wir lange und ausgiebig. Danach wird gepielt und immer wieder das eine oder andere Geschenk befingert. Ich bin natürlich der letzte, der ins Bett geht - muss vorher noch jedes Buch anlesen, das ich geschenkt bekomme (meist viele) und die ganzen offenen Flaschen sauber leeren.
Jou, wir sind kitschig. Aber wir lieben es von ganzem Herzen. Der wichtigste Tag im jahr!
1. und 2. Weihnachtsfeiertag sind dann der Verwandtschaft gewidmet, bzw. schlagen dann zum Abend auch viel Freunde/Freundinnen der Kinder bei uns auf, was mir die Gelegenheit gibt, alle wieder mal mit alten Familienfilmen zu quälen. Die jungen Leute von heute sind alle furchtbar nett und höflich und verderben mir den Spass nicht.
PS. Am liebsten hätte ich meine 750X ins Wohnzimmer gestellt, aber das Weibervolk lässt es nicht zu. Naja, beim Händler steht sie auch warm, wenngleich ohne liebevolle Streicheleinheiten.
PPS. Noch 10 mal schlafen