Letzte Hilfe – Plädoyer für ein Sterben in Würde?

  • #1

    Ich habe mir den Spiegel wegen seinem Aufmacher „Letzte Hilfe – Plädoyer für ein Sterben in Würde“ besorgt.
    Im Beitrag, der sich über sieben Seiten hinzieht, ist unter anderem eine gesunde 99-jährige Holländerin abgebildet, die einen Joghurt löffelt, der einen tödlichen Medikamentencocktail enthält, welchen ihr Sohn zusammengemischt hat.
    Selbiger wurde von einem holländischen Gericht zwar für schuldig befunden, aber nicht bestraft.
    Was meint ihr zum Thema selbstbestimmtes Sterben im Allgemeinen?


    Es grüßt
    sin_moto

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  • #2

    Ich finde das ist ein sehr heikles Thema, bei dem man unglaublich aufpassen muss, was man wem gegenüber sagt. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt, was manche leider nicht haben.


    Ich persönlich kann es vollkommen nachvollziehen, dass alte (oder auch junge) Menschen, die schwer krank sind und sich täglich aufs neue quälen, sich fragen, wieso sie denn keiner erlöst. Es ist für sie eine schlimme Strafe jeden morgen atmend aufzuwachen und unter Umständen den ganzen Tag im Bett vor sich hin zu vegetieren, vielleicht noch mit allen möglichen Geräten verkabelt und Schläuchen die sonst wo hinführen.
    Ich kann mir vorstellen, dass sie oft einfach am liebsten selbst den Stecker ziehen würden damit es endlich ein Ende hat.


    Jedes andere Lebewesen (z.B. Hund oder Katze) werden eingeschläfert, wenn es nicht mehr "selbst" überlebensfähig ist oder es sich sichtlich quält. Wir mussten beispielsweise vor einigen Jahren unsere beiden Katzen wegen FIP einschläfern lassen.
    Bei Menschen ist dieses einschläfern oder Stecker ziehen nicht möglich.


    Da wird immer mit Art.2, Abs.2, S.1 GG argumentiert, dass jeder das Recht auf Leben hat. Außerdem mit Art.1, Abs.1, S.1 GG, der unveräußerlichen Menschenwürde, die einem Mensch wegen des Menschseins zukommt.
    Da frage ich mich immer: ist es denn würdevoll, monate-/jahrelang nur von Maschinen und Medikamenten am Leben erhalten zu werden? Ich denke nicht. Ist es denn würdevoll, den Rest seines Lebens ein schwerer Pflegefall zu sein, nur im Bett zu liegen, sich nicht bewegen zu können, nicht reden zu können, einfach gar nichts machen zu können. 24 Stunden am Tag die Decke anzustarren? Ich denke nicht.


    Ich habe für mich persönlich beschlossen, und auch auf verschiedene Weisen festgehalten (seit ich Motorrad fahre), dass ich, wenn abzusehen ist, dass ich kein normales Leben mehr führen kann oder dass die Überlebenschancen so oder so schlecht stehen, nicht wiederbelebt oder maschinell am Leben erhalten werden möchte. Das ist eine Entscheidung die ich für mich getroffen habe. Das hat für mich nichts mehr mit Würde zu tun, da umgeben von Intensivmedizin ein elendiges Dasein zu führen um letztlich sowieso nur auf den Tod zu warten.
    Ausschlaggebend war für diese Entscheidung nicht nur mein eigenes Befinden, sondern auch die recht pragmatische und zugleich "krasse" Überlegung, dass ich meine Angehörigen damit nicht belasten möchte. Ich denke, dass es für die Familien einfacher ist Gewissheit zu haben, dass ein geliebter Mensch tot ist, als ihn über Jahre hinweg dort liegen zu sehen und über Jahre Tag für Tag zu trauern und sich einen Kopf zu machen.
    Das ist aber letztlich natürlich eine Entscheidung, die jeder selbst für sich treffen muss!


    Und da ist schon das nächste Thema: die Angehörigen. Ich persönlich möchte meinen Angehörigen keinen "Kummer" bereiten, sie jahrelang in Ungewissheit leben lassen, sie von einem Amt zum nächsten schicken, nur weil ich in so einer Situation bin, die letztlich wahrscheinlich eh tödlich oder als schwerer Pflegefall endet.
    Das ist vielleicht für den ein oder anderen weit hergeholt und bescheuert. Ich weiß auch, dass meine Familien, meine Freunde, alle um mich rum alle Hebel in Bewegung setzen würden um mich wieder fit zu bekommen, auch wenn es ausweglos ist. Da habe ich aber für mich beschlossen, dass ich das nicht will. Das ist für mich, wie bereits gesagt, einfach nicht würdevoll. Das möchte ich nicht.
    Ist vielleicht eine recht krasse Lösung, aber alle denen ich es gesagt haben akzeptieren diese Entscheidung.


    Letztes Thema das ich ansprechen möchte: hat nicht nach Art.2, Abs.1 GG jeder das rechte auf freie Entfaltung der Persönlichkeit? Das schwierige ist natürlich, dass hier oft argumentiert wird, dass jemand der sich selbst umbringen möchte, geistig nicht mehr auf der Höhe ist und daher die Folgen seines Handelns nicht abschätzen kann. Das gilt aber denke ich nur bedingt. Nicht jeder der seinem Leben ein Ende setzen will, ist geistig abwesend...
    Problematisch ist natürlich auch, dass ja irgendjemand "den Stecker ziehen muss".



    So schön es auch ist, dass mit der modernen Medizin heute so viel möglich ist, so schlimm ist es teilweise auch. Da werden todkranke Menschen um jeden Preis am Leben erhalten, ob sie wollen oder nicht.


    Ich habe für mich persönlich die obige Entscheidung getroffen und finde, dass sich JEDER darüber seine Gedanken machen sollte und seinen Willen irgendwo festhalten sollte...



    In diesem Sinne: allzeit gute Fahrt und auf ein gesundes, glückliches und langes Leben...

  • #3

    In diesem Land passiert gerade schon etwas - und es wird noch mehr passieren bei diesem Thema!


    Warum?


    Gnadenlose Überalterung, immer mehr Belastungen für die junge Generation, Krankenhäuser und Pflegeheime, die teilweise Sterbehospitzcharakter haben.


    Dazu kommen Pflegenotstände mit dazugehörigem Personalmangel, immer größere Verwaltungs- und Kostenlasten für die sozialen Bereiche.


    Ich drücke es mal drastisch und durchaus provokativ aus: "Alte und pflegebedürftigen Menschen" stören zunehmend diese Spass- und Freizeitgesellschaft.


    Ich wette, das bald das "sozialverträgliche Frühableben" durch Eigenentscheiung (Sterbewunsch/Sterbehilfe) juristisch neu
    verortet wird.


    Das soll jetzt nicht zynisch klingen, aber ich bin einfach nur Realist und sehe, was ist, nicht, was ich mir wünsche!

  • #4

    ich persönlich betreue ehrenamtlich mehrere Personen, größtenteils aus der Verwandtschaft.
    Bei einem Fall wurde ein Betreuter als Bewohner im Altenheim mehrere Jahre künstlich ernährt. Dieser hatte durch einen plötzlichen Schlaganfall keine Möglichkeit mehr gehabt, eine Verfügung zu erstellen. Aus meiner Sicht war dies ein unnötiger Leidenweg, der über 6 Jahre dauerte.
    Bei meinen anderen Betreuten, und meiner Familie wurde rechtzeitig eine Vorsorgevollmacht beschlossen.

  • #5

    In meiner Familie ist alles geregelt. Vorsorge- und Generalvollmacht liegen vor!


    Die Schwiegermutter starb, 83jährig, auf eigenen Wunsch, nach langer, unheilbarer Erkrankung und
    tierischen Schmerzen durch Verweigerung der Nahrungsaufnahme. Künstliche Ernährung wurde verhindert,
    der Wunsch respektiert! Es dauerte sage und schreibe 4 Wochen bis zum Verhungern, getrunken wurde allerdings.
    Es handelte sich also um einen Suizid durch bewußtes und gewolltes Verhungern. Die Schmerzen wurden weiter behandelt.




    Jetzt wiederholt sich die traurige Geschichte mit dem Schwiegervater, 89, der noch Nahrung zu sich nimmt, aber auch nicht mehr will und bereits davon spricht, genau so zu handeln. Wir werden diesen Wunsch auch respektieren und "sein Recht"
    durchsetzen!


    Das ist alles bereits die Realität in diesem Land!

  • #6

    Moin,


    ich find jeder der gehen will, sollte auch gehen dürfen.


    soziale Grüße,


    Roger

    Wenn es zum heulen nicht reicht, lächeln!


    Member of NOTHING


    XS400,XS750,DR400,XZ550,XT600,XT500,XT500S,R80G/S,XJ900S,XL500R,VF1000F,KLR250,XJ600,XJ900S,Vision110,NC700X,XT1200Z

  • #7

    Ich habe einen sehr guten Film zum Thema gefunden.
    Sehr gut, bis auf vielleicht ein paar handverlesene Obszönitäten, auf die ich notfalls hätte verzichten können… :whistle:.
    Aber egal… ich hatte gedacht, dass mich die Geschichte zum Schluss doch noch enttäuschen wird, was aber nicht passiert ist… :handgestures-thumbup:.
    Hier ist der Trailer zum Thema „Sterben mit Freunden“... :romance-grouphug: :


    https://www.videobuster.de/dvd…erleih/197082/hin-und-weg <---- :text-link:


    Es grüßt
    sin_moto,
    der sich fragt, warum man manchmal erst in die Ferne reisen muss... :think:

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  • #8

    Niemand wird gefragt, ob er geboren werden will. Wenn man das Recht auf Leben hat, hat man meiner Ansicht nach im gleichen Zuge auch das Recht auf den Tod.

    Ist der Motor kalt, gib ihm sechseinhalb. Schnell ist der Motor warm und Du kannst vollgas fahr'n.

  • #9


    Geht mir, bzw. meiner Mutter genau so. Liegt im Pflegeheim im Bett, wird künstlich ernährt. Will sterben und darf nicht.
    Gruss Thomas

  • #10

    Grad heute kommt der Fred wieder nach oben, danke Sin, wer weiss, ob ich sonst mir schnell was von der Seele hätte schreiben können.


    Meine Mutter ist heute morgen um 05.00 Uhr nach einem Jahr im Pflegeheim, Pflegestufe 2, friedlich eingeschlafen. Sie hat sich nach einem Schlüsselbeinbruch mit anschließender OP nicht mehr richtig erhohlt, war schon jahrelang kränklich und ihre anfänglich leichte Demenz hat sich durch die Narkose sehr verschlimmert. Zuletzt hat sie fast nichts mehr gegessen und die letzten 4 Tage war schlimm.


    Ich hab heut früh zwar geheult wie ein kleiner Junge, aber leztendlich sind meine Frau, ihre Schwester, ihr Bruder und ich froh, das sie erlöst wurde, ohne Schmerzen, ohne Maschinen. Gottseidank haben wir kurz zuvor eine Patientenverfügung und für mich eine Betreuungsverfügung verfasst.


    Einem Kollegen von mir wurde, da keine Vollmacht und Verfügung vorlag, ein gesetzlich bestimmter Betreuer für seine Mutter vorgesetzt, und der hat seinen Job wahrlich nicht gut gemacht.


    Ich kann nur jedem raten, fertigt diese Vollmacht/Verfügung, solange ihr noch gesund seit, danach könnte euer Schicksal in fremden Händen liegen.


    traurige Grüße
    Norbert

    Gruß, Norbert



    Lieber zu Fuß an den Strand als mit´m Benz in´s Büro...

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